Das Feuer der Wüste
lächelte nicht einmal, als er sich den Weg zu ihr bahnte. Erst als er bei Ruth angelangt war, stieß er mit dem Finger an den Rand seines Huts und nahm die Zigarette aus dem Mundwinkel. »Wann können wir reden?«, fragte er ungewohnt ernst.
»Reden? Worüber?« Ruth war überrascht. Was konnte ihr Nachbar von ihr wollen?
»Ich interessiere mich für euer Weideland nördlich der Green Hills.«
»Das kann ich mir denken, es grenzt ja an deine Farm. Aber es ist nicht zu verkaufen.«
Tom nickte bedächtig und steckte sich langsam eine neue Zigarette an. »Hör mal, Ruth, du brauchst keine Angst haben, dass ich eure Notlage ausnutze. Ich mache euch einen fairen Preis.«
»Bitte? Wovon redest du? Was für eine Notlage?« Ruth spürte, wie sich eine Faust in ihrem Magen zusammenballte. Angst überkam sie, eine unbekannte Furcht, die sie nicht näher erklären konnte. Es war, als würde der Himmel sich plötzlich verdunkeln.
Der Farmer schüttelte den Kopf. »Vor mir brauchst du dich nicht zu verstellen. Wir kennen uns lange genug. Vertraust du mir nicht?«
Ruth zog die Stirn in Falten. »Ehrlich, Tom, ich verstehe überhaupt nichts. Von welcher Notlage redest du? Was soll los sein mit Salden’s Hill? Was hat der Buschfunk schon wieder zu tratschen?«
Tom wirkte ehrlich erstaunt. »Du weißt nichts, wie?«
Ruth schüttelte den Kopf. »Nein, was denn? Rück endlich raus mit der Sprache!«
»Die ganze Stadt, alle hier sprechen von nichts anderem. Salden’s Hill ist pleite. Ihr müsst verkaufen, habt ja nicht mal die Startgebühren für den Wettbewerb aufbringen können.«
»Was? Wieso verkaufen? Wer sagt denn so etwas?« Ruth war außer sich und drängte darauf, mehr zu erfahren. »Los, nun sag schon: Wer hat das behauptet?«, rief sie.
Tom aber tippte sich nur an den Hut und wandte sich ab. »Denk über mein Angebot nach, Ruth. Ein besseres wirst du nicht bekommen.«
Ruth sah ihm verwirrt nach. Wie kam Tom nur auf den Gedanken, Salden’s Hill könnte pleite sein? Sie schüttelte den Kopf. Das konnte nicht sein. Oder doch?
Ruth leitete die Farm seit dem Tod ihres Vaters allein. Sie teilte am Morgen den schwarzen Farmarbeitern die Aufgaben zu, ritt die Grenzzäune ab, kontrollierte die Tränken, den Wasserspeicher, den Generator. Sie kümmerte sich um das Drenchen und Scheren, sortierte die Wolle und leitete den Verkauf ein, mietete den Truck, um die Karakulschafe zur Auktion zu fahren, und bestellte den Tierarzt, wenn es nötig war. Damit war Ruth seit nunmehr drei Jahren für schlichtweg alle Arbeiten zuständig, die außerhalb des Hauses anfielen.
Ihre Mutter widmete sich den Aufgaben, die im Haus zu erledigen waren, und darüber hinaus dem gesellschaftlichen Leben. Sie suchte neue Gardinen aus, wenn die alten aus der Mode gekommen waren, erstellte Speiseplan und Einkaufslisten und kümmerte sich auch um die Bankgeschäfte und die Buchhaltung der Farm. Außerdem bereitete sie die jährliche Teilnahme am Wohltätigkeitsbasar vor.
Doch, da war etwas! Mit einem Mal erinnerte sich Ruth, dass sie ihre Mutter bereits vor zwei Wochen gebeten hatte, Kraftfutter für die Schafe zu bestellen. Es eilte zwar nicht, da Regenzeit war und die Schafe auf der Weide genug Futter fanden, doch der nächste Sommer kam bestimmt und mit ihm die Trockenheit, die in jedem Jahr die Weiden zu graubraunen Flächen verbrannte. Zudem waren die Preise für das Kraftfutter gerade niedrig, und je näher der Sommer käme, desto teurer würde der Einkauf werden. Das Futter hätte also schon lange geliefert werden müssen. Konnte das Ausbleiben der Lieferung damit zusammenhängen, dass tatsächlich kein Geld mehr auf den Konten war?
Ruth runzelte die Stirn. Die Farm lief gut, denn Karakulschafe wie die ihren – besonders die Lämmer – waren begehrt und wurden gut bezahlt. Der Wollaufkäufer verkaufte die Lammwolle nach Europa, wo Persianermäntel, -hüte, -capes und viele andere Stücke daraus gefertigt wurden. Mäntel, wie Ruth sie in einer von Corinnes Zeitschriften gesehen hatte. Der dazugehörige Preis hatte Ruth beinahe in Ohnmacht fallen lassen: Ein einziger Mantel kostete mehr als zwanzig neue Schafe! Wo also war das Geld geblieben?
Es war nicht so, dass auf Salden’s Hill das Geld mit beiden Händen ausgegeben wurde. Die schwarzen Farmarbeiter lebten mit ihren Familien in flachen Steinhäusern auf dem Farmgelände und erhielten den üblichen Lohn, dazu Gratifikationen. Mit Mama Elo und Mama Isa lebten zwei weitere Angestellte
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