Das Feuer der Zeit
Mannes hüpfen im Takt seiner Schritte. Das Tier bleibt stehen, erschöpft vom Blutverlust und mit zitternden Flanken. Die Augen wirken uralt in ihrem Wissen um den nahenden Tod. Der Jäger ist nun bei ihm, und es macht einen letzten verzweifelten Satz ins Dickicht. Doch zu spät. Der zweite Speer trifft es im Flug. Die nackten Arme des Mannes tauchen ein in einen Schwall von Blut, als er die schutzlos daliegende Kehle durchtrennt. Dann spricht er ein paar Worte und macht beredte Gesten, die mich erkennen lassen, dass er den Geist des Tieres um Verzeihung bittet oder ihm dankt. Er wirkt so zärtlich.
Am nächsten Morgen lag meine Zunge pelzig und dick in meinem Mund. Trotz des Pochens meiner Schläfen fühlte ich mich seltsam leicht und beschwingt. Nach und nach fiel mir alles wieder ein, und meine Hände wurden feucht. Ich hätte nicht so viel trinken sollen. Das bekam mir einfach nicht. Aber schön war es gewesen. Was für ein Mann! Der Gedanke daran sandte ein Prickeln über meine Haut, und die Härchen auf meinen Armen stellten sich auf.
»Rena, du bist ein Schaf. Man verliebt sich nicht in Traummänner, nicht in solche jedenfalls«, schalt ich mich, während ich den Tee aufbrühte. Es war ja ein Traum gewesen. Oder? Die Erinnerung an die Bilder, die meinen Schlaf bevölkert hatten, kam nun mit aller Macht zurück. Wenn es Traumbilder gewesen waren, dann sehr merkwürdige. Die Szene im Wald war so lebendig gewesen, als habe ich mir einen Film angesehen, nur dass jemand den Ton stumm geschaltet hatte. Normalerweise waren meine nächtlichen Ausflüge ins Unterbewusste anders, viel wirrer, und ich träumte immer nur von Dingen, die ich kannte. Wieso tauchte ein und derselbe Fremde gleich zweimal in meinen Fantasien auf? Und warum hatte ich das Gefühl, dass zwischen uns eine reale Verbindung bestand? Gestern am Feuer hatte ich ganz und gar nicht das Gefühl gehabt zu schlafen. Es war vielmehr, als hätten die Flammen einen Kanal durch die Zeit geöffnet, durch den nur er und ich blicken konnten. Er. Ich rieb mir die Arme, weil ich schon wieder fröstelte, aber es war ein wohliger Schauer.
Nach dem Frühstück ging ich in den Garten und legte mich in die Hängematte, um ein wenig zu lesen. Schon nach kurzer Zeit glitt mir das Buch aus der Hand, und ich schloss die Augen, dachte an ihn.
Die Läufe des Hirschs sind zusammengebunden. Die Männer haben eine Stange hindurchgeschoben und tragen ihre Beute kopfüber durch den Wald. Er ist der vordere Träger. Der Schweiß rinnt ihm über die bloße Brust. Die Sonne geht bereits unter, als durch die Bäume eine Lichtung zu erkennen ist. Kleine Felder mit Getreide liegen vor den Jägern, dahinter ducken sich einfache Behausungen aus Flechtwerk und Lehm. Ein Junge hat die Heimkehrer entdeckt. Weit öffnet sich der Mund, er ruft ins Dorf, wo die Köpfe von Frauen und Kindern nun hochschnellen. Sie laufen den Männern entgegen.
Ich erwachte keuchend, als sei ich der Junge in meinem Traum. Es war wieder geschehen, und es war zudem, als habe ich die Fortsetzung der Jagd erlebt, deren Zeuge ich in der Nacht geworden war. Warum sah ich diese belanglosen Szenen aus dem Alltag eines Dorfes in grauer Vorzeit? Waren es Germanen? Vieles sprach dafür – Kleidung, Haartracht und Waffen ähnelten den Abbildungen in Büchern. Ähnlich, aber nicht genau gleich, das machte mich stutzig. War mir ein echter Blick in die Vergangenheit vergönnt, sah ich das Leben vor Jahrtausenden, wie es sich wirklich abgespielt hatte?
Im Schlaf hatte ich das Gefühl gehabt, ganz nah bei ihm zu sein, meinem blonden Recken, ihn zu begleiten. Aber dann schien ich wieder wie ein Vogel über ihm zu schweben, eine unsichtbare Beobachterin zu sein. Er hatte nicht auf meine Anwesenheit im Wald reagiert. Gestern Abend im Feuer, da hatte er mich wahrgenommen, dessen war ich ganz sicher. Wir hatten eine Verbindung hergestellt, und diese zog mich nun in meinen Träumen zu ihm. Leider schien er meine Gegenwart in seiner Zeit nicht zu spüren. Oder bildete ich mir das alles nur ein? Träumte ich mir einen Mann zusammen, weil Arne mich so enttäuscht hatte?
Ich sah auf die Uhr und erschrak. Da hatte ich doch glatt den ganzen Tag verschlafen! Jetzt würde ich sicher kein Auge mehr zubekommen und morgen bei der Arbeit total übermüdet sein. Ich fühlte mich von einer vibrierenden Energie durchströmt. Diese Bilder aus alter Zeit – sie fesselten meine Gedanken und ließen meine Fantasie ins Kraut
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