Das Feuer Kabals
Zahlreiche Lampen unter der Decke erzeugten ein helles Licht. Seraphia sah die Leitungen zwischen den Lampen und wusste, dass hier kein Öl nachgegossen, keine Flamme entzündet werden musste. Sie rief ihre Aura-Sicht herbei und sah das charakteristische blaue Leuchten des Luft-Elements. Seraphia entging nicht, dass Cendrine ebenfalls einen Blick nach oben warf.
»Gab es schon Beschwerden?«, fragte die Äbtissin und deutete auf die Lampen, als die Hohepriesterin sich mit einem fragenden Blick umwandte.
»Natürlich. Es sei kein echtes Feuer darin, Blah-Blah-Blah. Wir haben Wichtigeres zu tun, als unsere begrenzten Ressourcen damit zu beschäftigen, Öl in die Lampen zu gießen. Es werden mehr Leuchten dieser Art und andere Maschinen installiert. Ich habe einen MA-Reaktor neu aktivieren lassen, also sollten wir genug Energie dafür haben.«
»Charna!«, Cendrine blieb stehen, ein Ausdruck des blanken Entsetzens auf ihrem Gesicht. »Der letzte MA-Reaktor auf Iidrash erlosch vor mehr als achthundert Jahren. Die Reaktoren im Tempel müssen noch älter sein. Das Risiko ist Wahnsinn!«
Charna schaute Cendrine einen Moment ernst an, dann schlich sich ein Lächeln auf ihr Gesicht. »Wir hatten Hilfe von außerhalb Kabals. Der Reaktor ist neu und weit besser, als die alten Maschinen in den Eingeweiden dieses Berges. Folgt mir!«
Charna schritt geschwind aus und Cendrine folgte ihr kopfschüttelnd mit einem Blick auf die Lampen. Seraphia hatte sich noch keine Meinung zu den Apparaturen bilden können, von denen die Hohepriesterin sprach. Sie kannte zahlreiche einfache Geräte. Sie wusste, dass es sehr komplizierte Maschinen auf Iidrash gab, aber sie hatte nie welche gesehen.
Im Moment fühlte sie sich einerseits unwohl in ihrer Haut und entdeckte andererseits ein aufgeregtes Prickeln in der Magengrube. Die Hohepriesterin zog sie scheinbar endgültig ins Vertrauen. Der Auftrag, der sie ins Land der Sidaji-Echsen geführt hatte, war nur der Anfang. Ihr Aufstieg in den Reihen verlief schneller, als sie je gehofft hatte. Ein nagender Zweifel keimte bei aller Freude in ihrem Herzen. Sie ahnte, dass es größere Schwierigkeiten zu bewältigen gab.
Und die Sidaji waren erst der Anfang.
Sie erreichten Charnas Gemächer. Vier Wachen standen aufmerksam davor und salutierten zackig mit der Faust auf der Brust. Es waren magisch begabte Männer mit Erfahrung. Ein Kentaur, zwei Minotauren und ein kleiner, außergewöhnlich muskulöser Kerl mit dem Kopf eines Ziegenbockes und genug menschlichen Zügen darin, um sein ursprüngliches Gesicht erkennen zu können. Seine Hörner waren mit komplizierten Mustern und goldenen Ringen verziert. Auffällige Orden schmückten seine Rüstung. Charna nickte ihm zu, denn es war Grond, der Hauptmann der Tempelgarde. Diese Garde der Hohepriesterin war bekannt für die beispiellos harten Aufnahmeprüfungen, die absolviert werden mussten. Die Männer, die hier Wache standen, wiesen eine mehr als nur durchschnittliche Begabung auf, sowohl im Nahkampf als auch in ihrem spezifischen magischen Talent.
Sie waren loyal bis in den Tod.
Die Tür flog vor ihnen auf, ohne dass Charna auch nur die Hand hatte bewegen müssen. Ihre telekinetischen Fähigkeiten lagen außerhalb dessen, was Seraphia jemals zu erreichen hoffte. Aber sie war auch nicht die Tochter der Göttin des Feuers und des Drachenherrschers von Krain. Ihre Eltern waren Händler gewesen. Die Tür schloss sich hinter ihnen.
»Nehmt Platz! Bedient euch! Ich habe die Adeptinnen fortgeschickt, also wartet nicht darauf, dass sich die Becher von alleine füllen«, sagte Charna und deutete auf eine Anrichte, die mit allerlei Obst und Leckereinen gedeckt war. »Ich komme gleich zu euch!«, sagte sie und verließ den Raum durch eine Seitentür.
Wein stand in Krügen bereit und Seraphia schenkte Cendrine einen Becher Rotwein ein, bevor sie sich selbst bediente. Ihr Bauch knurrte beim Anblick des kalten Bratens so laut, dass es ihr peinlich war. Aber die Vorstellung, etwas zu essen, ließ ihren Magen krampfhaft zusammenschrumpfen. Sie war zu aufgeregt. Cendrine nahm auf einem der bequemen Sessel Platz. Sie fühlte sich hier offenbar erheblich wohler als Seraphia, die immer noch nicht glauben konnte, dass sie in den Privatgemächern der Hohepriesterin an einem Becher Wein nippte. Die Äbtissin nahm einen männlichen Schluck und rülpste leise, als sie das halb leere Gefäß absetzte.
»Verdammt, das habe ich jetzt gebraucht!«, murmelte sie und massierte
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