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Cosm

Cosm

Titel: Cosm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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    1 Alicia kochte vor Wut, aber das war bei ihr keine Seltenheit. Empört musterte sie den kleinen Mann hinter seinem Schreibtisch. Legte er es gezielt darauf an, sie in Rage zu bringen, oder war das sogar sein Sonntagsgesicht?
    »Sie haben Anweisung, mein Experiment zu stoppen ?« wiederholte sie verächtlich.
    »Alle Versuche mit Uran.«
    »Dann können sie gleich den ganzen verdammten Collider stillegen!«
    »Es geht um die Abschlußprüfung nach Sicherheitsvorschrift A-3 …«
    »Längst durchgeführt!«
    »Aber nicht schwarz auf weiß zu den Akten gelegt.«
    »Was? Sie wollen das Ganze auch noch schriftlich haben?«
    »He, ich will Ihnen nun wirklich nicht die Tour vermasseln …«
    Die Tour vermasseln. Hatte er das tatsächlich gesagt? Der Mann gehörte doch ins Museum. »Es sind die Anwälte, richtig?«
    Ein Richter auf Long Island hatte eine Verfügung erlassen, wonach sämtliche Laborversuche bis zur Erstellung eines weiteren Umweltverträglichkeitsgutachtens auszusetzen waren. Suffolk County war eine Brutstätte für Schwarzmaler; man hatte hier schon einmal ein Atomkraftwerk im Wert von fünf Milliarden Dollar geschlossen.
    Sein Lächeln war so welk wie drei Tage alter Salat. »Ich muß das Gutachten beglaubigen, dann geht es rüber in die Rechtsabteilung, und die stehen dann vor dem Richter dafür gerade.«
    »Ich dachte, das ist alles längst erledigt.«
    Hugh Alcott griff nach einem dicken Stapel Papier. Das Sicherheitsgutachten, sie erkannte den braunen Schutzumschlag. »Ein paar technische Details fehlen noch.«
    »Die Hintergrundinformationen? Ich dachte, die werden vom Labor gestellt.«
    »Ich denke, das ist Ihre Aufgabe.« Alcott hatte die undurchdringliche Maske des Sicherheitsbeauftragten aufgesetzt. Im Labor wurde er wegen der Art, wie er sich selbst hinter den banalsten Vorschriften eisern verschanzte, als Sicherheitsnazi bezeichnet. »Aber ich könnte mich erkundigen …«
    »Der verdammte Bericht sollte gestern abgesegnet werden.«
    Er rutschte auf seinem Schreibtischsessel, dem Standardmodell, unruhig hin und her. Alicia merkte deutlich, daß er nur ungern saß, während sie stand, dabei war sie ohnehin größer als er. Als er sich zerstreut am Ohr kratzte, registrierte sie, daß er sich heute für das schlichte Haarteil Modell Tom Cruise ‘95 entschieden hatte. Sie hatte mit dem Kerl so oft zu tun, daß sie schon seine Toupets wiedererkannte.
    »In diesem Fall muß einfach alles bis aufs i-Tüpfelchen stimmen.«
    Alicia wandte sich demonstrativ ab, verschränkte die Arme vor der Brust und schaute aus Alcotts Fenster. Es war Vorfrühling, und hier im Osten von Long Island spitzten eben die ersten Grashalme aus dem braunen Schlamm. Tiefe Reifenspuren störten die Aussicht auf die Kiefern und den zartgrau bewölkten Himmel. Sie hatte längere Zeit im Osten gelebt, und wenn sie jetzt aus Kalifornien zurückkam, drängte sich ihr jedesmal der gleiche Eindruck auf: in diesem Land hatten sich die Kanten abgeschliffen. Und sie legte Wert auf Ecken und Kanten. Sie war immer noch so wütend, daß sie Alcott am liebsten an die Kehle gefahren wäre, also erlegte sie sich fünf Sekunden Schweigen auf. Hoffentlich half es. Seit sie nach Kalifornien übersiedelt war, hatte sie zunehmend Mühe, mit den Menschen von der Ostküste zurechtzukommen. An ihrer Stammhochschule, der University of California in Irvine, herrschte ein etwas anderes, soziales Klima, und wenn sie beruflich wieder in Brookhaven zu tun hatte, mußte sie sich jedesmal umstellen. Endlich drehte sie sich um, ohne die vor dem blauen Arbeitshemd verschränkten Arme sinken zu lassen, und sagte langsam und deutlich: »Hören Sie, es ist seit Jahren geplant, daß ich – daß wir bei diesem Versuch Uran einsetzen.«
    »Das ist mir ja alles bekannt, mir geht es nur um diesen Prozeß …«
    »Es geht um das Uran! Der Kontrollausschuß sagte mir: ›Sie liefern uns eine genaue Versuchsbeschreibung, dann wird die Sache auch genehmigt.‹ In einem Anlauf, hieß es.«
    »Mit Verzögerungen muß immer gerechnet werden.«
    »Aber alles ist bereit! Mein Team steht Gewehr bei Fuß …«
    »Das war ein organisatorischer Fehler.« Er blinzelte wie eine Eule. »Dafür bin ich nicht zuständig.«
    »Sie haben mir versichert, einen Monat vor Versuchsbeginn sei alles geklärt!«
    »Aber damals hatten die ›Friends of the Earth‹ ihre Klage noch nicht eingereicht. Auch dafür bin ich nicht zuständig.«
    Das hat auch Wernher von Braun gesagt, ging es ihr

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