Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Feuer von Innen

Das Feuer von Innen

Titel: Das Feuer von Innen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
Vom Netzwerk:
Sofa. Nach einem Augenblick greller Panik merkte ich, daß ich irgendwie unvollständig war. Irgend etwas fehlte an mir. Aber ich fand die Situation nicht bedrohlich. Mir kam der Gedanke in den Sinn, daß ich träumte, und daß ich alsbald neben Don Juan auf der Parkbank in Oaxaca aufwachen würde, wo ich ja in Wirklichkeit wäre, wohin ich gehörte.
    Die junge Frau half mir aufstehen und führte mich in ein Badezimmer, wo es eine große Badewanne gab, mit Wasser gefüllt. Jetzt merkte ich, daß ich splitternackt war. Sie geleitete mich behutsam in die Wanne und hielt meinen Kopf, während ich im Wasser schwebte.
    Nach einer Weile half sie mir aus der Wanne. Ich fühlte mich schwach und zitterig. Ich legte mich auf das Sofa im Wohnzimmer, und sie kam ganz nah zu mir. Ich hörte ihr Herz pochen, und auch das Brausen des Bluts in ihren Adern. Ihre Augen waren zwei strahlende Quellen von irgend etwas, das weder Licht noch Wärme war, sondern etwas ganz Sonderbares dazwischen. Ich wußte, ich sah die Kraft des Lebens aus ihren Augen, aus ihrem Körper hervorbrechen. Ihr ganzer Körper war wie eine lebende lodernde Esse; erglühte.
    Ich empfand eine unheimliche Erschütterung, die mein ganzes Sein in Erregung versetzte. Es war, als lägen meine Nerven nackt und offen, und jemand zupfte an ihnen. Das Gefühl war peinigend. Dann wurde ich ohnmächtig, oder ich schlief ein. Als ich wieder aufwachte, drückte mir jemand in kaltes Wasser getauchte Handtücher ins Gesicht und gegen den Nacken. Ich sah die junge Frau neben meinem Kopf auf dem Bett sitzen, auf dem ich lag. Sie hatte einen Wassereimer auf dem Nachttisch stehen. Don Juan stand am Fußende des Bettes und trug meine Kleider über dem Arm.
    Dann war ich hellwach. Ich setzte mich auf. Die beiden hatten mich mit einer Decke zugedeckt.
    »Wie geht's dem Reisenden?« fragte Don Juan lächelnd.
    »Bist du jetzt ganz und aus einem Stück?«
    Das war alles, woran ich mich erinnerte. Ich erzählte Don Juan diese Episode, und noch während ich sprach, erinnerte ich mich an eine weitere. Ich erinnerte mich daran, wie Don Juan mich neckte und hänselte, weil er mich nackt im Bett der Dame ertappt hatte. Ich war furchtbar wütend über seine Bemerkungen geworden. Ich hatte mich angezogen und war zornentbrannt aus dem Haus gestapft.
    Don Juan hatte mich auf dem Rasen vor dem Haus eingeholt. In sehr ernstem Ton hatte er mir vorgehalten, ich sei wieder in mein altes dummes Selbst zurückgefallen, ich hätte mich, durch mein Verlegenwerden, wieder zusammengesetzt, was ihm bewiese, daß mein Eigendünkel noch immer grenzenlos sei. Versöhnlicher hatte er aber hinzugefügt, darauf käme es nun auch nicht mehr an. Das einzig Entscheidende sei die Tatsache, daß mein Montagepunkt ganz tief in die linke Seite hineingeglitten sei und folglich eine gewaltige Distanz zurückgelegt habe.
    Und er hatte von Wundern und Mysterien gesprochen, aber ich hatte ihm nicht zuhören können, denn ich war gefangen im Kreuzfeuer meiner Angst und meines Eigendünkels. Ich kochte förmlich. Ich war mir sicher, daß Don Juan mich im Park hypnotisiert und dann ins Haus dieser Dame geführt hatte und daß die beiden ganz furchtbare Dinge mit mir angestellt hatten. Meine Raserei wurde unterbrochen. Irgend etwas dort auf der Straße war für mich so beängstigend, so schockierend, daß sich mein Zorn augenblicklich legte. Aber bevor ich meine Gedanken wieder ordnen konnte, versetzte Don Juan mir einen Schlag auf den Rücken, und dann blieb nichts mehr übrig von dem, was eben geschehen war. Ich fand mich wieder in meiner seligen Alltagsdummheit, glücklich Don Juans Worten lauschend und mich fragend, ob er mich eigentlich mochte oder nicht. Während ich Don Juan dieses neue Bruchstück meiner Erinnerung erzählte, das mir eben erst eingefallen war, wurde mir klar, daß er tatsächlich meine Gefühlsausbrüche aufzufangen verstand, indem er mich rasch in einen normalen Bewußtseinszustand versetzte.
    »Das einzige, was den Reisenden in das Unbekannte besänftigen kann, ist das Vergessen«, sagte er. »Welch eine Erleichterung, wieder in der alltäglichen Welt zu sein!«
    »An jenem Tag hast du etwas Wunderbares vollbracht. Es war ein Gebot der Nüchternheit, daß ich dir nicht erlaubte, dir alles zu vergegenwärtigen. Gerade, als du wirklich in Panik geraten wolltest, ließ ich dich in deinen normalen Bewußtseinszustand überwechseln; ich verschob deinen Montagepunkt über die Position hinaus, wo es keine

Weitere Kostenlose Bücher