Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Feuer von Innen

Das Feuer von Innen

Titel: Das Feuer von Innen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
Vom Netzwerk:
beinah zu Tode erschreckend.
    Mein erster Gedanke war Argwohn. Ich glaubte, Don Genaro habe sich den ganzen Tag lang im Gebüsch versteckt und auf den Anbruch der Dunkelheit gewartet, um mir mit seinem Erscheinen einen Schreck einzujagen. Während ich ihn so umherstolzieren sah, wurde mir bewußt, daß er an diesem Abend etwas wahrhaft Unheimliches an sich hatte. Etwas greifbar Wirkliches, und doch etwas, über das ich mir nicht klar zu werden vermochte.
    Er scherzte mit mir und alberte herum und tat Dinge, bei denen sich meine Vernunft sträubte. Don Juan lachte wie ein Narr über mein Entsetzen. Als er den richtigen Zeitpunkt gekommen glaubte, ließ er mich in einen Zustand gesteigerter Bewußtheit überwechseln, und einen Moment lang konnte ich Don Juan und Don Genaro als zwei Lichtblasen sehen. Genaro war nicht der Genaro aus Fleisch und Blut, den ich in meinem normalen Bewußtseinszustand kannte, sondern sein TraumKörper. Das erkannte ich, weil ich ihn als Feuerkugel über der Erde schweben sah. Er berührte nicht den Boden, wie Don Juan. Es war, als sei Genaro - die Lichtblase - im Begriff, emporzuschweben, schon ein paar Fuß hoch in die Luft aufgestiegen und bereit, davonzufliegen.
    Noch etwas hatte ich in dieser Nacht getan, das mir plötzlich, wie ich mich nun an jenes Ereignis erinnerte, klar wurde: ich hatte ganz automatisch gewußt, daß ich meine Augen rollen mußte, um meinen Montagepunkt sich verschieben zu lassen. Mit Hilfe meiner Absicht gelang es mir, die Emanationen auszurichten, die mich Genaro als Lichtblase sehen ließen - oder vielmehr, ich konnte die Emanationen ausrichten, die mich ihn lediglich als etwas Merkwürdiges, Unbekanntes und Befremdliches sehen ließen.
    Wenn ich Genaro als etwas Merkwürdiges sah, dann hatten seine Augen ein bösartiges Funkeln, wie die Augen eines wilden Tiers im Dunkeln. Aber es waren gleichwohl Augen. Ich sah sie nicht als bernsteinfarbene Lichtpunkte.
    An diesem Abend hatte Don Juan gesagt, Genaro werde meinem Montagepunkt helfen, eine sehr tiefe Verschiebung zu machen, und ich solle ihn imitieren - alles nachmachen, was er tat. Genaro reckte den Hintern heraus und stieß dann sein Becken mit großer Wucht nach vorne. Ich fand, es war eine obszöne Gebärde. Dies wiederholte er immer wieder und hopste umher wie im Tanz. Don Juan stieß mich an und drängte mich, Genaro nachzuahmen, und ich tat es. So tollten wir beide herum, immer die gleiche groteske Bewegung ausführend. Nach einer Weile hatte ich das Gefühl, als führte mein Körper die Bewegung ganz von selber aus, ohne Zutun dessen, was mir mein wirkliches Ich zu sein schien. Diese Spaltung zwischen meinem Körper und meinem wirklichen Ich wurde noch ausgeprägter, und dann sah ich irgendwann eine lächerliche Szene, bei der zwei Männer mit geilen Gebärden umeinander hüpften.
    Ich beobachtete fasziniert und erkannte, daß ich selbst einer der Männer war. Im gleichen Moment, als es mir bewußt wurde, spürte ich, wie mich etwas fortriß, und nun stieß ich wieder im Einklang mit Genaro mein Becken vor und zurück. Beinah im gleichen Moment bemerkte ich, daß noch ein anderer Mann neben Don Juan stand und uns beobachtete. Der Wind umfächelte ihn. Ich sah, wie sein Haar flatterte. Er war nackt und schien verlegen. Der Wind sammelte sich um ihn, wie um ihn zu bergen, oder vielleicht umgekehrt, wie um ihn fortzuwehen. Ich hatte noch nicht gemerkt, daß ich selbst der andere Mann war. Als ich es dann merkte, war es der Schock meines Lebens. Eine unergründliche physische Macht riß mich entzwei, als ob ich aus Fasern bestünde, und wieder schaute ich einem Mann zu, der mit Genaro herumtollte und mich anglotzte, während ich zu ihm hinschaute. Und gleichzeitig sah ich einen nackten Mann, der ich war und mich anglotzte, während ich mit Genaro geile Gebärden aufführte. Der Schock war so groß, daß ich aus dem Rhythmus der Bewegung fiel und strauchelte.
    Dann wußte ich nur noch, daß Don Juan mir auf die Beine half. Genaro und das andere Ich, der Nackte, waren verschwunden.
    Jetzt erinnerte ich mich auch, daß Don Juan sich damals geweigert hatte, über das Ereignis zu sprechen. Er gab mir keine Erklärung, außer, daß Genaro ein Meister sei in der Kunst, seinen Doppelgänger, den Anderen, zu schaffen und daß ich bereits in normalem Bewußtseinszustand häufigen Umgang mit Don Genaros Doppelgänger gepflogen hätte, ohne es jemals zu bemerken.
    »In dieser Nacht ließ Genaro, wie er es schon Hunderte

Weitere Kostenlose Bücher