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Das Feuer von Innen

Das Feuer von Innen

Titel: Das Feuer von Innen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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Krieger, so stellte Don Juan fest, beende seine Ausbildung, wenn er fähig sei, ohne Hilfe, und aus seinem normalen Bewußtseinszustand heraus, die Barriere der Wahrnehmung zu durchbrechen. Wohl führe der Nagual den Krieger an diese Schwelle heran, doch der Erfolg hänge ganz von jedem einzelnen ab. Der Nagual könne ihn nur auf die Probe stellen, indem er ihn dauernd in Situationen stoße, in denen er auf sich selbst angewiesen sei.
    »Die einzige Macht, die zeitweilig unsere Ausrichtung tilgen kann, ist die Ausrichtung selbst«, fuhr er fort. »Du wirst die Ausrichtung tilgen müssen, die dich in der Wahrnehmung der alltäglichen Welt gefangenhält. Indem die eine neue Position deines Montagepunktes beabsichtigst, und indem du beabsichtigst, ihn lange genug dort fixiert zu halten, wirst du eine andere Welt montieren und diese Welt hinter dir lassen.
    Noch immer, bis auf den heutigen Tag, trotzen die alten Seher dem Tod, indem sie genau dies tun: nämlich beabsichtigen, daß ihr Montagepunkt an Positionen fixiert bleibt, die sie in eine der sieben Welten versetzen.«
    »Was wird geschehen, wenn es mir gelingt, eine andere Welt auszurichten?« fragte ich.
    »Du wirst in sie eintreten müssen«, sagte er, »wie Genaro es tat, eines Abends, genau an dieser Stelle, als er dir das Geheimnis der Ausrichtung zeigte.«
    »Wo werde ich sein, Don Juan?«
    »In einer anderen Welt, natürlich, wo sonst?« »Was wird mit den Menschen meiner Umgebung, mit den Häusern sein, mit den Bergen und allem anderen?« »Du wirst von alledem getrennt sein durch die Barriere, die du durchbrochen haben wirst: die Barriere der Wahrnehmung. Genau wie die Seher, die sich begruben, um dem Tode zu trotzen, wirst du nicht mehr in dieser Welt sein.«
    Ein Kampf tobte in mir, als ich seine Worte vernahm. Ein Teil von mir protestierte, daß seine Auffassung unhaltbar sei, während ein anderer Teil von mir zweifelsfrei wußte, daß er recht hatte. Ich fragte ihn, was geschehen würde, wenn ich meinen Montagepunkt in Bewegung brächte, während ich mich auf der Straße, mitten im Verkehrsgewimmel von Los Angeles befände? »Los Angeles wird verschwinden wie ein Windhauch«, antwortete er mit ernster Miene. »Aber du wirst bleiben. Das ist das Wunder, das ich dir zu erklären versuchte. Du hast es schon einmal erlebt, du hast es nur noch nicht verstanden, aber heute wirst du es verstehen.«
    Bisher könne ich noch nicht den Schub der Erde ausnutzen, sagte er, um in ein anderes großes Emanationen-Band überzuwechseln, aber nachdem jetzt eine unabdingbare Notwendigkeit für mich bestünde zu solchem Überwechseln, werde diese Notwendigkeit mir als Sprungbrett dienen. Don Juan blickte zum Himmel auf. Er reckte die Arme über den Kopf, als ob er zu lange ruhig gesessen hätte und die Müdigkeit aus seinem Körper vertreiben wollte. Er befahl mir, meinen inneren Dialog abzustellen und mich in inneres Schweigen zu versetzen. Dann stand er auf und entfernte sich langsam vom Marktplatz. Er gab mir ein Zeichen, ihm zu folgen. Er schlug eine verlassene Nebenstraße ein. Ich erkannte sie wieder, es war dieselbe Straße, wo Genaro mir den Akt der Ausrichtung demonstriert hatte. Im gleichen Augenblick, als ich dies erkannte, sah ich mich neben Don Juan an einem Ort gehen, der mir inzwischen ganz vertraut war: eine einsame Ebene mit gelben Sanddünen, die aus Schwefel zu bestehen schienen.
    Und nun erinnerte ich mich, daß Don Juan mich diese Welt Hunderte von Malen hatte wahrnehmen lassen. Ich erinnerte mich auch, daß es jenseits dieser trostlosen Dünenlandschaft eine andere Welt gab, leuchtend von einem köstlichen, gleichmäßigen, rein-weißen Licht.
    Als Don Juan und ich dieses Mal in diese Welt eintraten, spürte ich, daß das Licht, das aus allen Richtungen kam, kein belebendes Licht war; aber es war so besänftigend, daß es mir das Gefühl gab, als sei es heilig, Während mich dieses heilige Licht umflutete, explodierte in meinem inneren Schweigen ein rationaler Gedanke. Es wäre doch möglich, dachte ich, daß Mystiker und Heilige diese selbe Reise des Montagepunktes erlebt hätten. In der Form des Menschen hätten sie Gott geschaut. In den Schwefeldünen hätten sie die Hölle gesehen. Und in dem durchschimmernden Licht hätten sie den Glorienschein des Himmels gesehen.
    Mein rationaler Gedanke verglühte augenblicklich unter dem Ansturm dessen, was ich wahrnahm. Meine Aufmerksamkeit war gefesselt durch eine Vielzahl von Gestalten, Männern und Frauen,

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