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Das Feuer von Innen

Das Feuer von Innen

Titel: Das Feuer von Innen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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Klitzekleinen< bezeichnet hatte, auch noch in unserer Zeit einen Krieger besiegen könnten? »Sie konnten es zu allen Zeiten«, erwiderte er. »Die Folgen sind heute nicht mehr so schwerwiegend wie früher. Heute hat der Krieger natürlich immer die Chance, sich davon zu erholen. Er kann seine Kräfte sammeln und später zurückehren. Aber das Problem liegt ganz woanders. Von einem albernen Tyrannen besiegt zu werden, ist nicht tödlich, aber es ist vernichtend. Die Sterbeziffer, sozusagen, ist beinah genauso hoch. Was ich damit sagen will: ein Krieger, der gegen einen kleinen Tyrannen verliert, wird durch sein eigenes Gefühl der Niederlage und Wertlosigkeit vernichtet. Und das heißt für mich soviel wie Sterben.«
    »Woran willst du Niederlage ermessen?«
    »Wer sich unter die kleinen Tyrannen einreiht, ist besiegt. Im Zorn handeln, ohne Kontrolle und Disziplin, und ohne Voraussicht - das nennt man besiegt zu sein.«
    »Was geschieht, wenn ein Krieger besiegt ist?«
    »Entweder er sammelt noch einmal seine Kräfte, oder er gibt die Suche nach Wissen auf und reiht sich für den Rest des Lebens unter die kleinen Tyrannen ein.«

3. Die Emanationen des Adlers
    Am nächsten Tag machten Don Juan und ich einen Spaziergang entlang der Straße nach Oaxaca. Um diese Zeit lag die Landstraße verlassen. Es war zwei Uhr am Nachmittag. Während wir gemächlich dahinschlenderten, fing Don Juan unvermittelt an zu sprechen. Er meinte, unser Gespräch über die kleinen Tyrannen sei lediglich eine Einleitung zur Thematik des Bewußtseins gewesen. Ich bemerkte, es habe mir neue Einsichten erschlossen. Er bat mich zu erklären, was ich damit meinte. Ich sagte ihm, meine Einsicht hätte etwas mit einer Auseinandersetzung zu tun, die wir vor etlichen Jahren über die Yaqui-Indianer hatten. Im Verlauf seiner Lehren für die rechte Seite hatte er mir erzählt, welche Vorteile die Yaquis aus der Tatsache ihrer Unterdrückung zu ziehen wüßten. Ich hatte damals heftig eingewandt, daß es unter den erbärmlichen Bedingungen, unter denen sie lebten, doch unmöglich etwas Vorteilhaftes geben könne. Auch könne ich nicht begreifen, wie er, ein Yaqui-Indianer, sich nicht gegen solch eine eklatante Ungerechtigkeit auflehnte.
    Er hatte mir damals aufmerksam zugehört. Dann, als ich schon glaubte, er werde seinen Standpunkt rechtfertigen, pflichtete er mir bei, daß die Lebensbedingungen der Yaquis tatsächlich erbärmlich seien. Aber, betonte er, es sei sinnlos, die Yaquis herauszugreifen, wo doch die Lebensbedingungen der ganzen Menschheit schrecklich seien.
    »Bemitleide nicht die Yaqui-Indianer«, sagte er. »Bemitleide die Menschheit. Und was die Yaquis betrifft, so möchte ich sogar sagen, daß sie Glück haben. Sie sind unterdrückt, aber gerade deswegen können einige von ihnen am Ende triumphieren. Die Unterdrücker aber, die kleinen Tyrannen, die sie mit Füßen treten, haben nicht einmal in der Hölle eine Chance.« Darauf hatte ich sofort mit einem Trommelfeuer politischer Parolen geantwortet. Ich hatte überhaupt nicht verstanden, was er sagen wollte. Damals hatte er noch einmal versucht, mir das Konzept der kleinen Tyrannen zu erklären, aber der Kern der Sache war mir entgangen. Erst jetzt paßte für mich alles zusammen.
    »Bis jetzt paßt gar nichts zusammen«, erwiderte er mir lachend. »Morgen, wenn du wieder in deinem normalen Bewußtseinszustand bist, wirst du dich nicht mehr an deine jetzige Einsicht erinnern.«
    Ich war tief deprimiert, denn ich wußte, er hatte recht. »Mir ist es genauso gegangen wie dir«, fuhr er fort. »Mein Wohltäter, der Nagual Julian, ließ mich einmal, im Zustand gesteigerter Bewußtheit, erkennen, was du eben erkannt hast über die kleinen Tyrannen. Im alltäglichen Leben änderte ich dann meine Meinung wieder, ohne zu wissen warum.
    Ich war immer unterdrückt gewesen, darum hatte ich einen giftigen Haß auf meine Unterdrücker. Stell dir aber meine Überraschung vor, als ich feststellen mußte, daß ich die Gesellschaft kleiner Tyrannen suchte. Ich dachte, ich hätte den Verstand verloren.«
    Wir gelangten an eine Stelle am Straßenrand, wo ein paar große Felsbrocken lagen, halb unter einem alten Erdrutsch begraben. Don Juan ging hin und setzte sich auf eine flache Steinplatte. Er bedeutete mir, mich ihm gegenüber zu setzen. Und dann begann er, ohne Überleitung, mit seiner Erklärung dessen, was er die Meisterschaft des Bewußtseins nannte.
    Er sagte, daß es eine Reihe von Wahrheiten gebe,

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