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Das Feuer von Innen

Das Feuer von Innen

Titel: Das Feuer von Innen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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seien. Die Seher könnten sogar zu gegebener Zeit das Bekannte verlassen und in das Unbekannte eintreten.
    Das Unerkennbare aber liege außerhalb der Möglichkeiten menschlicher Wahrnehmung. Wichtig sei nur, zwischen diesem und dem Erkennbaren zu unterscheiden. Die beiden zu verwechseln, das würde den Seher in eine sehr prekäre Lage bringen, sobald er dem Unerkennbaren gegenüberstehe.
    »Genau dies passierte den alten Sehern«, fuhr Don Juan fort. »Sie aber glaubten, ihre Techniken wären in Unordnung geraten. Es kam ihnen nie in den Sinn, daß das meiste, was es dort draußen gibt, für uns unbegreiflich ist. Das war ihr verhängnisvoller Irrtum, und sie haben teuer dafür bezahlt.«
    »Was passierte, nachdem der Unterschied zwischen dem Unbekannten und dem Unerkennbaren entdeckt war?« fragte ich.
    »Da fing der neue Zyklus an«, antwortete er. »Diese Unterscheidung ist die Trennlinie zwischen dem Alten und dem Neuen. Alles, was die neuen Seher vollbracht haben, geht auf diese Unterscheidung zurück.«
    Das Sehen, so sagte Don Juan, spielte beim Untergang der alten Seher wie auch beim Aufbau der neuen Lehre eine entscheidende Rolle. Durch das Sehen entdeckten die neuen Seher gewisse, unleugbare Tatsachen, und diese Tatsachen führten sie zu gewissen, für sie revolutionären Schlußfolgerungen über das Wesen von Mensch und Welt. Und diese Schlußfolgerungen, die den Anfang des neuen Zyklus ermöglichten, waren die Wahrheiten über das Bewußtsein, die Don Juan mir erklären wollte. Don Juan forderte mich auf, ihn ins Stadtzentrum zu begleiten, auf einen Spaziergang rund um den großen Platz. Unterwegs unterhielten wir uns über Maschinen und feinmechanische Instrumente. Er behauptete, Maschinen seien Verlängerungen unserer Sinne, und ich hielt dagegen, daß es Maschinen gebe, die nicht in diese Definition hineinpaßten, weil sie Funktionen erfüllten, die auszuführen wir aufgrund unserer physiologischen Anlage nicht fähig seien.
    »Unsere Sinne sind zu allem fähig«, behauptete er. »Und ich sage dir, es gibt Instrumente, die Radiowellen aus dem Weltraum auffangen können«, sagte ich. »Unsere Sinne können keine Radiowellen auffangen.«
    »Da bin ich anderer Ansicht«, sagte er. »Ich glaube, unsere Sinne können alles aufnehmen, was uns umgibt.« »Und wie steht's mit den Ultraschallwellen?« fragte ich. »Wir haben nicht die organische Ausstattung, um sie zu hören.« »Die Seher sind der Überzeugung, daß wir erst einen winzigen Teil von uns selbst erschlossen haben«, erwiderte er. Er versank eine Weile in Nachdenken, als suche er zu entscheiden, was er noch vorbringen könnte. Dann lächelte er. »Die erste Wahrheit über das Bewußtsein lautet, wie gesagt«, fing er an, »daß die Welt dort draußen nicht wirklich das ist, wofür wir sie halten. Wir halten sie für eine Welt der Gegenstände, und das ist sie nicht.«
    Er hielt inne, wie um die Wirkung seiner Worte abzuschätzen. Ich sagte, ich könne seiner Prämisse zustimmen, denn alles, was ist, sei auf Energie zurückführbar. Er meinte, ich hätte wohl intuitiv eine Wahrheit erfaßt, aber diese zu diskutieren, heiße noch nicht, sie zu verifizieren. Im übrigen liege ihm nichts an meiner Zustimmung oder meinem Widerspruch, sagte er. Ich solle lieber versuchen zu begreifen, was diese Wahrheit bedeute. »Energiefelder kann man nicht beobachten«, fuhr er fort. »Jedenfalls nicht als Durchschnittsmensch. Könntest du sie sehen, dann wärst du ein Seher, und in diesem Fall könntest du die Wahrheiten über das Bewußtsein erklären. Verstehst du nicht, was ich meine?«
    Und dann führte er aus, daß die Schlußfolgerungen, die wir mit unserer Vernunft erzielen könnten, kaum Konsequenzen für unser Leben hätten. Daher die unzähligen Beispiele von Leuten, die glasklare Überzeugungen verträten, und ihnen doch immer wieder zuwiderhandelten - einzig mit der Begründung, daß Irren menschlich sei.
    »Die erste Wahrheit lautet, daß die Welt das ist, was sie zu sein scheint, und es doch nicht ist«, fuhr er fort. »Sie ist nicht so fest und so wirklich, wie unsere Wahrnehmung uns glauben macht. Aber sie ist auch keine Fata Morgana. Die Welt ist keine Illusion, wie man immer sagt; sie ist einerseits real und andererseits irreal. Beachte dies gut, denn man muß es verstehen, nicht nur einfach akzeptieren. Wir nehmen wahr. Dies ist ein festes Faktum. Aber was wir wahrnehmen, ist kein solches Faktum, denn wir lernen, was wir wahrnehmen sollen.
    Stell

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