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Das Feuer von Innen

Das Feuer von Innen

Titel: Das Feuer von Innen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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wußte keine Fragen mehr zu stellen, oder vielleicht war ich zu müde, um noch etwas zu fragen. Da ertönte ein lauter Knall, der mich hochschrecken ließ. Die Haustür flog auf, und Genaro stürzte atemlos herein. Er sank auf die Matte nieder. Er war tatsächlich schweißgebadet. »Ich war gerade dabei, die erste Aufmerksamkeit zu erklären«, sagte Don Juan zu ihm.
    »Die erste Aufmerksamkeit funktioniert nur im Reich des Bekannten«, sagte Genaro. »Im Unbekannten ist sie keine zwei rostige Peseten wert.«
    »Das ist nicht ganz richtig«, entgegnete Don Juan. »Die erste Aufmerksamkeit funktioniert sehr gut im Unbekannten. Sie blockiert es; sie leugnet es so heftig, daß es schließlich kein Unbekanntes mehr für die erste Aufmerksamkeit gibt. Das Aufstellen eines Inventars macht uns unverletzlich. Das ist der Grund, warum das Inventar überhaupt eingeführt wurde.«
    »Wovon sprecht ihr da?« fragte ich Don Juan. Er antwortete nicht. Er schaute Genaro an, als warte er auf eine Frage.
    »Aber falls ich die Tür öffne«, sagte Genaro, »könnte die erste Aufmerksamkeit es dann aufnehmen mit dem, was hereinkäme?«
    »Deine und meine nicht, aber die seine wohl«, sagte Don Juan und deutete auf mich. »Versuchen wir es.« »Obwohl er noch immer im Zustand gesteigerter Bewußtheit ist?« fragte Genaro Don Juan.
    »Das macht keinen Unterschied«, antwortete Don Juan. Genaro stand auf und ging zur Haustür und riß sie auf. Im gleichen Moment sprang er zurück. Herein fuhr ein kalter Windstoß. Don Juan stellte sich neben mich, Genaro ebenfalls. Beide sahen mich verwundert an.
    Ich wollte die Haustür schließen. Die Kälte war mir unangenehm. Aber als ich einen Schritt zur Tür machte, sprangen Don Juan und Genaro vor und schirmten mich ab. »Bemerkst du etwas im Zimmer?« fragte mich Genaro. »Nein, nichts«, sagte ich, der Wahrheit entsprechend. Außer dem kalten Wind, der durch die offene Tür hereinstrich, war nichts zu bemerken.
    »Unheimliche Wesen sind hereingekommen, als ich die Tür öffnete«, sagte er. »Merkst du denn nichts?« Da war irgend etwas in seiner Stimme, das mir verriet, daß er diesmal nicht Spaß machte.
    Wir drei gingen, die beiden zu meinen Seiten, aus dem Haus. Don Juan nahm die Petroleumlampe, und Genaro verschloß die Haustür. Wir stiegen - durch die Beifahrertür - ins Auto. Sie schoben mich voran. Und dann fuhren wir nach Don Juans Haus in der benachbarten Stadt.

6. Anorganische Wesen
    Am nächsten Tag bat ich Don Juan immer wieder, mir unseren überstürzten Aufbruch aus Genaros Haus zu erklären. Er weigerte sich, den Zwischenfall auch nur zu erwähnen. In Genaro fand ich auch keine Hilfe. Jedesmal, wenn ich ihn fragte, zwinkerte er mir zu und grinste wie ein Narr.
    Am Nachmittag kam Don Juan in den hinteren Patio seines Hauses, wo ich mich mit seinen Lehrlingen unterhielt. Sofort verschwanden die jungen Lehrlinge alle - wie auf ein Stichwort. Don Juan nahm mich am Arm, und wir begannen durch die Galerie zu spazieren. Er sagte nichts; eine Weile schlenderten wir einfach umher, ganz als wären wir auf dem Marktplatz. Don Juan blieb stehen und wandte sich mir zu. Er umkreiste mich und betrachtete meinen Körper von oben bis unten. Ich wußte, er sah mich. Es befiel mich eine merkwürdige Müdigkeit, eine Schlaffheit, die ich nicht empfunden hatte, bevor seine Augen mich streiften. Unvermittelt fing er an zu sprechen. »Der Grund, warum Genaro und ich nicht sprechen wollten über das, was gestern abend passierte«, sagte er, »war, daß du während der Zeit, als du im Unbekannten weiltest, sehr viel Angst hattest. Genaro hatte dich hineingestoßen, und dort begegneten dir gewisse Wesen.«
    »Was für Wesen, Don Juan?«
    »Wesen, die ich dir jetzt noch nicht erklären kann, falls dies überhaupt möglich ist«, sagte er. »Du hast nicht genug überschüssige Energie, um in das Unbekannte einzutreten und es zu verstehen. Als die neuen Seher das System der Wahrheiten über das Bewußtsein aufstellten, sahen sie, daß die erste Aufmerksamkeit alle Glut der Bewußtheit, die ein Mensch hat, verzehrt, ohne ein Fünkchen davon freizulassen. Genau dies ist jetzt dein Problem. Deshalb empfahlen die Seher, der Krieger solle, da er doch ins Unbekannte eingehen muß, seine Energie sparen. Woher aber soll er Energie bekommen, wenn ihm alle genommen wird? Er bekommt sie, so sagen die neuen Seher, durch das Austilgen unnötiger Gewohnheiten.«
    Er machte eine Pause und ermunterte mich, Fragen zu

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