Das Feuer von Innen
menschliche Gestalt annehmen konnte.« Nachdem Don Juan selbst keine Vorliebe für die Verbündeten habe, so sagte er, sei es ihm niemals gelungen, mir eine rechte Anschauung von ihnen zu geben, wie sein Wohltäter es bei ihm machte, während er sich von seiner Schußwunde in der Brust erholte. Am Anfang, sagte er, sei ihm sein Wohltäter als ein sehr seltsamer Mann vorgekommen. Mit knapper Not den Klauen eines kleinen Tyrannen entronnen, mußte Don Juan befürchten, gleich in die nächste Falle gestolpert zu sein. Er hatte vorgehabt, ein paar Tage zu warten, bis seine Kräfte wiederhergestellt wären, und dann wegzulaufen, während der Alte nicht zu Hause war. Aber der alte Mann hatte wahrscheinlich seine Gedanken gelesen, denn eines Tages flüsterte er Don Juan vertraulich ins Ohr, er müsse so schnell wie möglich gesund werden, damit sie beide dem Zwingherrn und Folterknecht des Alten entspringen könnten. Darauf riß der Alte, zitternd vor Angst und Schwäche, die Tür auf, und ein gespenstischer, fischgesichtiger Mann trat ins Zimmer, als habe er hinter der Tür gelauscht. Er war grünlichgrau, hatte nur ein einziges starres Auge und war so groß wie die Tür. Don Juan sei, wie er sagte, so überrascht und erschrocken gewesen, daß er in Ohnmacht fiel und hinterher Jahre brauchte, um sich von dem Bann dieser Angst zu befreien. »Sind deine Verbündeten dir nützlich, Don Juan?« fragte ich. »Das ist schwer zu sagen«, sagte er. »In gewisser Weise liebe ich die Verbündeten, die mein Wohltäter mir geschenkt hat. Sie sind fähig, es mit unvorstellbarer Zuneigung zu entgelten. Aber sie sind mir unbegreiflich. Sie wurden mir als Gefährten beigegeben, für den Fall, daß ich jemals allein in dieser Unermeßlichkeit stranden sollte, die da heißt - die Emanationen des Adlers.«
7. Der Montagepunkt
Nach meiner Kraftprobe mit den Verbündeten unterbrach Don Juan seine Erklärung über die Beherrschung des Bewußtseins für mehrere Monate. Eines Tages nahm er sie wieder auf. Dies wurde ausgelöst durch ein merkwürdiges Ereignis. Don Juan befand sich im Norden Mexikos. Ich war gerade in dem Haus eingetroffen, das er dort unterhielt, und er hatte mich sofort in gesteigerte Bewußtheit überwechseln lassen. Und ich hatte mich augenblicklich daran erinnert, daß es für Don Juan stets ein Mittel der inneren Erneuerung war, nach Sonora zurückzukehren. Er hatte mir erklärt, daß ein Nagual, als Anführer mit ungeheurer Verantwortung, einen physischen Bezugspunkt brauche, einen Platz, wo er sich in einen Zusammenfluß der Energien einschalten könne. Die Wüste von Sonora sei für ihn ein solcher Platz.
Beim Eintritt in den Zustand gesteigerter Bewußtheit war mir aufgefallen, daß sich noch eine andere Person im Halbdunkel des Hauses versteckte. Ich fragte Don Juan, ob Genaro bei ihm sei.
Er erwiderte, er sei allein, und was ich bemerkt hätte, sei einer Seiner Verbündeten, und zwar jener, der das Haus hütete.
Don Juan machte eine sonderbare Gebärde. Er verzog das Gesicht, als sei er überrascht oder erschrocken. Und sofort erschien die beängstigende Gestalt eines seltsamen Mannes in der Tür zu dem Zimmer, in dem wir uns befanden. Die Gegenwart dieses seltsamen Mannes machte mir solche angst, daß mir regelrecht schwindlig wurde. Und bevor ich mich von meiner Furcht erholen konnte, stürzte sich der Mann mit furchterregender Wildheit auf mich. Als er mich an den Unterarmen packte, spürte ich einen Schlag, so etwas wie eine elektrische Entladung. Ich war sprachlos, von einem Schrecken gelähmt, den ich nicht abschütteln konnte. Don Juan lächelte mir zu. Ich stöhnte und stammelte bei dem Versuch, meinen Hilferuf zu artikulieren, während mich ein noch stärkerer Schlag traf.
Der Mann umklammerte mich mit festerem Griff und versuchte, mich rückwärts auf den Boden zu werfen. Ohne Unruhe in der Stimme forderte mich Don Juan auf, mich zusammenzunehmen und nicht gegen meine Furcht anzukämpfen, sondern mich mit ihr treiben zu lassen. »Habe Angst, ohne verängstigt zu sein«, sagte er. Don Juan kam zu mir herüber, und ohne sich in meinen Kampf einzumischen, flüsterte er mir ins Ohr, ich solle mich ganz auf den Mittelpunkt meines Körpers konzentrieren. In all den Jahren hatte er immer wieder von mir verlangt, ich solle meinen Körper auf ein Hunderstel Zen tim eter ausmessen und seinen genauen Mittelpunkt feststellen, in der Länge wie in der Breite. Dieser Punkt, sagte er, sei bei uns allen das wahre
Weitere Kostenlose Bücher