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Das Feuer von Innen

Das Feuer von Innen

Titel: Das Feuer von Innen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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Sees zu blicken, ist natürlich viel überwältigender und gefährlicher als das, was wir mit dem Spiegel machten.«
    »Aber sind sie tatsächlich, also körperlich hinabgestiegen?« fragte ich.
    »Du würdest staunen, wessen der Mensch fähig ist, besonders wenn er sein Bewußtsein kontrolliert«, erwiderte er. »Die alten Seher waren irregeleitet. Bei ihren Ausflügen in die Tiefen fanden sie Wunder. Den Verbündeten zu begegnen, war für sie etwas ganz Gewöhnliches.
    Inzwischen ist dir natürlich klar, daß es nur eine bildliche Ausdrucksweise ist, wenn man von den Tiefen spricht. Es gibt keine Tiefen, es gibt nur ein Handhaben der Bewußtheit. Doch zu dieser Erkenntnis sind die alten Seher niemals vorgedrungen.« Ich erzählte Don Juan, ich sei aufgrund dessen, was er über sein Erlebnis mit dem Verbündeten gesagt hatte, wie auch aufgrund meines subjektiven Eindrucks, als ich die rüttelnde Kraft des Verbündeten im Wasser spürte, zu dem Schluß gelangt, daß Verbündete sehr aggressiv wären.
    »Nicht wirklich«, sagte er. »Nicht daß sie nicht genügend Energie hätten, um aggressiv zu sein, aber sie haben eine andere Art von Energie. Sie sind eher wie elektrischer Strom. Organische Wesen sind eher wie Hitzewellen.«
    »Aber wieso jagte er dich so lange umher?« fragte ich. »Das ist kein Geheimnis«, sagte er. »Sie werden von Emotionen angezogen. Kreatürliche Angst ist das, was sie am meisten anzieht; sie löst jene Art Energie aus, die es ihnen am meisten angetan hat. Die Emanationen in ihrem Innern werden durch kreatürliche Angst gebündelt. Da meine Angst so überwältigend war, hatte der Verbündete es auf sie abgesehen - oder vielmehr, meine Angst köderte den Verbündeten und ließ ihn nicht mehr los.«
    Die alten Seher seien es gewesen, sagte er, die herausfanden, daß die Verbündeten kreatürliche Angst mehr als alles andere schätzen. Sie seien sogar soweit gegangen, ihre Verbündeten absichtlich damit zu füttern, indem sie andere Leute zu Tode erschreckten. Die alten Seher seien überzeugt gewesen, daß Verbündete menschliche Gefühle hätten, doch die neuen Seher hätten etwas anderes gesehen. Sie hätten gesehen, daß die Verbündeten durch die von den Emotionen freigesetzte Energie angezogen werden. Ebenso wirksam sei Liebe, aber auch Haß oder Traurigkeit. Hätte er Liebe für diesen Verbündeten empfunden, fügte Don Juan hinzu, dann hätte der Verbündete ihn ebenfalls verfolgt, wenngleich die Jagd in einer anderen Stimmung erfolgt wäre. Ich fragte ihn, ob der Verbündete aufgehört hätte, ihn zu verfolgen, wenn er seine Angst unter Kontrolle gebracht hätte. Das Kontrollieren der Angst, antwortete er, sei ein Trick der alten Seher gewesen. Sie hätten ihre Angst in solchem Maß zu kontrollieren gewußt, daß sie sie Stück für Stück verausgaben konnten. Sie hätten die Verbündeten mit ihrer Angst geködert, indem sie ihnen diese, nach und nach, wie Speise verabreichten, ja, sie hätten die Verbündeten regelrecht versklavt.
    »Diese alten Seher waren furchteinflößende Männer«, fuhr Don Juan fort. »Ich sollte nicht in der Vergangenheitsform sprechen - sie sind noch heute furchterregende Männer. Sie haben es darauf abgesehen, Herrschaft auszuüben, jeden und alles in ihre Gewalt zu bekommen.«
    »Auch heute noch, Don Juan?« fragte ich und bat ihn, mir dies ausführlicher zu erklären.
    Er aber wechselte das Thema und meinte, ich hätte die Chance verpaßt, mir tatsächlich einen maßlosen Schreck einjagen zu lassen. Zweifellos, sagte er, habe die Art, wie ich den Rahmen des Spiegels mit Pech versiegelt hatte, das Wasser gehindert, hinter das Glas einzusickern. Dies hielt er für den entscheidenden Faktor, der den Verbündeten davon abgehalten habe, den Spiegel zu zerschmettern.
    »Schade«, sagte er, »vielleicht hätte der Verbündete dir sogar gefallen. Übrigens war es nicht derselbe wie am Tag vorher. Der zweite war dir vollkommen ähnlich.« »Hast auch du selbst Verbündete, Don Juan?« fragte ich. »Wie du weißt, habe ich die Verbündeten meines Wohltäters«, sagte er. »Ich kann nicht sagen, daß ich ihnen dasselbe Gefühl entgegenbrächte wie mein Wohltäter. Er war ein heiterer, aber tief mitfühlender Mensch, der großzügig alles verschenkte, was er besaß, auch seine Energie. Er liebte seine Verbündeten. Er hatte nichts dagegen, wenn die Verbündeten seine Energie nutzten, um sich zu materialisieren. Vor allem einen hatte er, der sogar eine groteske

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