Brennendes Schicksal (German Edition)
Prolog
Florenz, im Jahre 1529
Die Dunkelheit hatte ihre schwarzen Schleier über die Dächer von Florenz gebreitet. Die Stadt lag still. In den Häusern und Palazzi waren die Lichter längst erloschen, und auch auf den Straßen hatte sich alles Leben zur Ruhe begeben.
Nur eine einzelne Frau huschte im Schutz der Mauern durch die schmalen Gassen. Sie trug einen weiten Umhang mit großer Kapuze, die sie tief in die Stirn gezogen hatte, sodass man ihr Gesicht nicht erkennen konnte. Um die Schuhe hatte sie sich Lappen gewickelt, damit ihre Schritte auf dem Pflaster sie nicht verrieten. Hin und wieder blieb sie stehen, lauschte in die Stille. Einmal kam ihr ein Nachtwächter entgegen, und sie verbarg sich rasch in einer kleinen Nische zwischen zwei Häusern vor seinen Blicken. Als er um die nächste Ecke gebogen war, wartete sie noch einige Atemzüge und setzte sodann ihren Weg fort.
Die Turmuhr schlug Mitternacht, als sie ihr Ziel erreicht hatte. Elektra raffte den Umhang über ihrem reich bestickten Kleid und ordnete mit einer Hand ihre Haarpracht unter der Kapuze. Sie kniff sich in die Wangen, bis sie rosig gefärbt waren, biss sich leicht auf die Lippen, befeuchtete den Zeigefinger mit der Zunge und fuhr sich damit glättend über die Augenbrauen. Dann klopfte sie leise an die Hintertür einer kleinen, aber sauber verputzten Hütte, die in einer Gegend am Stadtrand lag, in welche sich Frauen ihres Standes nur höchst selten verirrten. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Noch einmal sah sie sich um, lauschte in die Stille. Endlich wurde die Tür geöffnet. Elektra schlüpfte hinein und atmete hörbar aus, als die Anspannung von ihr abfiel.
»Du bist da! Du bist gekommen!«
Der Mann, der vor ihr stand, nahm ihr Gesicht zwischen seine beiden Hände und betrachtete Elektra voller Wärme.
»Ja«, erwiderte Elektra, noch immer ein wenig atemlos. »Ich bin gekommen. Ohne dich kann ich nicht sein, das weißt du doch. Aber ich habe jedes Mal Angst. Eines Tages erwischen sie mich.«
»Pst, pst.« Der Mann verschloss ihr mit einem Kuss die Lippen. Dann erwiderte er: »Die Hauptsache ist, dass wir jetzt beieinander sind. Ich liebe dich, Elektra. Obwohl ich weiß, dass diese Liebe unser beider Unglück sein kann.«
»Ich liebe dich auch. Mehr, als ich jemals einen anderen geliebt habe.« Sie lachte auf. »Diese Worte hören sich seltsam aus dem Mund einer Kurtisane an, nicht wahr? Aber sie sind deshalb nicht weniger aufrichtig. Ich liebe dich, obwohl ich mir schon oft gewünscht habe, es nicht zu tun. Aber wer kann seinem Schicksal schon entgehen?«
Pietro zuckte die Achseln. »Kurtisane sein heißt doch nicht, auf die Liebe verzichten zu müssen.«
Elektra schüttelte den Kopf. »Du irrst dich. Ich habe meine Seele verkauft, nicht nur den Körper und den Geist. Mein Gönner duldet es nicht, dass auch nur der kleinste Teil von mir jemand anderem gehört. Selbst meine Kinder hat er zu einer Amme gegeben, damit sie ihm nicht meine Liebe und Aufmerksamkeit stehlen. Wüsste er, dass ich dich liebe, dass ich heimlich zu dir komme, so wäre ich des Todes.« Elektra lächelte bitter und schmiegte sich an Pietro. »Vielleicht straft mich der Herr damit, dass ich mich in den Fischer verliebt habe, der meinem Gönner seinen Fang verkauft. Vielleicht ist es eine Strafe für meinen Hochmut, dass ich einen Mann liebe, mit dem ich niemals leben kann, und den Mann, mit dem ich lebe, nun verabscheuen muss. Vielleicht ist es aber auch ein Akt von Gottes Gnade, dass er mich, die Kurtisane, zu dir geführt hat, damit ich die wirkliche Liebe kennen lerne. Eine Liebe, in der Geld, Herkunft, Ansehen und Macht keine Rolle spielen.«
»Für mich bist du das schönste Geschenk Gottes in meinem Leben«, erwiderte Pietro. »Und ich habe die Hoffnung keineswegs aufgegeben, eines Tages ganz und für immer mit dir zusammen sein zu können.«
Elektra lachte leise und zerzauste Pietro die dunklen Locken. »Du bist ein Träumer. Aber auch dafür liebe ich dich. Gott weiß, wie gern ich meinen Reichtum, die schönen Kleider, Möbel und all die anderen Annehmlichkeiten gegen die Kargheit eines Lebens an deiner Seite tauschen möchte. Noch heute käme ich ohne Bedauern zu dir. Aber ich habe Kinder. Ihre Zukunft darf ich nicht aufs Spiel setzen. Ihr Vater wäre grausam genug, sie in ein Waisenheim zu geben. Das aber kann ich nicht zulassen.«
Sie seufzte, und Pietro nahm sie in den Arm, drückte sie fest an sich. Sie standen da, Herz an Herz, und genossen
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