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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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den scharlachroten Buchstaben »A« auf der Brust eingestickt tragen können - oder in diesem Fall ein scharlachrotes »B«.
    Frank, die gute Seele, hatte seinen Blick gesehen und ganz entspannt gesagt: »Meine Frau ist verwitwet; ich habe Brianna als Baby adoptiert.« Das Gesicht des Arztes war sofort zu einem beruhigenden, entschuldigenden Ausdruck aufgetaut, und Frank hatte in meinem Rücken fest meine Hand ergriffen. Meine Hand spannte sich an, als ich mich an meinen erwidernden Händedruck erinnerte - und plötzlich verrutschte der Objektträger und ich hatte nur noch leeres, verschwommenes Glas vor Augen.
    Hinter mir erklang ein Geräusch, und Roger stand auf. Ich drehte mich um, und er lächelte mich an. Seine Augen waren dunkel und sanft wie Moos.
    »Das Blut spielt keine Rolle«, sagte er leise. »Er ist mein Sohn.«
    »Ja«, sagte ich, und auch meine Kehle fühlte sich zugeschnürt an. »Ich weiß.«
    Ein lautes Knacken unterbrach die nun folgende Stille, und ich blickte erschrocken zu Boden. Eine Wolke aus Truthahnfedern umwirbelte meinen Fuß, und Adso flitzte, auf frischer Tat ertappt, aus dem Sprechzimmer, den riesigen Fächer einer abgetrennten Flügelhälfte im Maul.
    »Du verflixtes Biest!«, sagte ich.

98
    Kluges Kerlchen
    Ein kalter Ostwind wehte in der Nacht; Roger konnte hören, wie er beständig an der Wand neben seinem Kopf entlangheulte, deren Ritzen mit Schlamm abgedichtet waren, und wie die sturmgebeutelten Bäume hinter dem Haus schwankten und ächzten. Ein plötzlicher Windstoß traf die Ölhaut, mit der das Fenster bespannt war; sie blähte sich mit einem heftigen Krack! nach innen und löste sich an einer Seite. Der rauschende Luftzug wehte einige seiner Papiere vom Tisch und neigte die Kerzenflamme in einem alarmierenden Winkel zur Seite.
    Roger schob die Kerze hastig an eine ungefährlichere Stelle und drückte die Ölhaut mit der Handfläche an die Wand, während er hinter sich blickte, um zu sehen, ob seine Frau und sein Sohn von dem Geräusch wach geworden waren. Ein Küchentuch bewegte sich an seinem Nagel neben dem Herd, und die Bespannung seines Bodhrans vibrierte schwach, als der Zug sie berührte. Aus dem abgedeckten Herdfeuer sprang jäh eine Feuerzunge auf, und er sah, wie Brianna sich bewegte, als ihr die kalte Luft über das Gesicht strich.
    Doch sie kuschelte sich nur fester in ihre Bettdecke, und ein paar lose, rote Haare glommen auf, als der Windhauch sie anhob. Das Rollbett, in dem Jemmy jetzt schlief, stand im Schutz des großen Bettes; aus dieser Ecke des Zimmers kam kein Ton.
    Roger atmete die Luft aus, die er angehalten hatte, kramte kurz in der Hornschale herum, die allerlei nützlichen Krimskrams enthielt, und brachte einen unbenutzten Heftnagel zum Vorschein. Er drückte ihn mit dem Handballen fest, und an Stelle des Luftzuges sickerte nur noch ein Hauch von Kälte in den Raum. Dann bückte er sich, um seine Papiere zu retten.
    »O will ye let Telfer’s kye gae back?
Or will ye do aught for regard o’ me?«
    Er wiederholte den Text im Kopf, während er die halb getrocknete Tinte von seinem Federkiel abwischte und Kimmie Clellans brüchige, alte Stimme die Worte singen hörte.
    Es war ein Lied namens »Jamie Telfer of the Fair Dodhead« - eine jener uralten Räuberballaden, die Dutzende von Strophen hatten und von denen es Dutzende regionaler Versionen gab, die sich in diesem Fall alle um die Versuche des Lowlanders Telfer drehten, sich für einen Überfall auf sein Haus zu rächen, indem er seine Freunde und Verwandten zu Hilfe rief. Roger kannte schon drei verschiedene Versionen, aber Clellan hatte noch eine gesungen
- mit einem vollständig neuen Handlungsstrang, in dem es um Telfers Vetter Willie ging.
    »Or by the faith of my body, >quo< Willie Scott.
I’se ware my dame’s calfskin on thee!«
    Kimmie hatte Roger erzählt, dass er gern sang, um sich den Abend zu vertreiben oder um die Gastgeber zu unterhalten, deren Feuer er teilte. Er konnte sich noch an all die schottischen Lieder seiner Jugend erinnern und sang sie mit Freuden, so oft ihm noch jemand zuhören mochte, wenn man ihm nur die Kehle so feucht hielt, dass eine Melodie darauf schwimmen konnte.
    Der Rest der Gesellschaft im Herrenhaus hatte sich Clellans Repertoire zwei- oder dreimal angehört, im Lauf des vierten Mals zu gähnen und zu blinzeln begonnen, um sich dann schließlich murmelnd zu entschuldigen und stolpernd - en masse - zu Bett zu gehen, so dass Roger den Alten mit noch mehr

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