Das Flüstern der Nacht
Hengst, ohne den Blick von dem Tätowierten Mann abzuwenden.
Selbst ohne seinen Harnisch und die Satteltaschen wog Schattentänzer fast eine Tonne, doch der Schlag des kräftigen Dämons ließ ihn durch die Luft segeln. Er prallte gegen einen hohen Baum und der Tätowierte Mann wusste nicht, ob das laute Knacken vom Stamm herrührte oder ob Schattentänzers Rückgrat gebrochen war.
»Schattentänzer!«, schrie der Tätowierte Mann, riss sich die Kutte vom Leib und stürzte sich auf den Dämon. Renna hetzte bereits zu dem Hengst.
Mit gewaltigen Hieben trieb der Tätowierte Mann den Horcling zurück, und diesem Ansturm schien die Kreatur nicht gewachsen zu sein. Doch die Wunden, die die Dorne ihr zugefügt hatten, waren schon verheilt, und die Schläge und Tritte des Tätowierten Mannes zeigten nur vorübergehend Wirkung. Das Fleisch um die verbrannten Stellen, die von den Siegeln getroffen waren, pulsierte und erneuerte sich rasch.
Er warf den Dämon zu Boden, wo er auf einem Arm zu liegen kam, doch mit den Krallen der freien Pranke schürfte der das Erdreich auf und schleuderte große Klumpen aus Dreck und feuchtem
Laub auf ihn. Der Tätowierte Mann konnte nicht ausweichen und wurde voll getroffen. Er fing sich schnell wieder und klopfte sich den Schmutz ab, aber er wusste, dass seine Siegel an den Stellen, an denen der Dreck kleben blieb, geschwächt waren, sofern sie überhaupt noch wirkten.
Aber er war genauso unversehrt wie der Horcling, und er hatte keineswegs die Absicht, diesen mächtigen Dämon davonkommen zu lassen. Wieder umkreisten sie einander, knurrend und mit gefletschten Zähnen. Einer der Dämonenarme verwandelte sich in ein halbes Dutzend Tentakel, jeder davon zehn Fuß lang und mit einem scharfen Horn an der Spitze.
»Bei der Nacht, aus welchem Teil des Horc stammst du denn?«, knurrte der Tätowierte Mann. Der Mimikry gab keine Antwort, sondern schlug mit seinen neuen Gliedmaßen nach ihm.
Der Tätowierte Mann hechtete zur Seite, rollte sich ab und rannte direkt auf den Dämon zu. Unter den Achselhöhlen befand sich eine Lücke zwischen den Panzerschuppen; in die trieb er seine Finger mit den eintätowierten Stichsiegeln und versuchte, irgendeine verletzliche Stelle zu erreichen, um vielleicht einen dauerhaften Schaden anzurichten.
Der Horcling fing an zu kreischen und krümmte sich, und das Fleisch rings um seine Hand löste sich auf. Erst als der Tätowierte Mann mit dem Dämon während seiner Verwandlung in Berührung kam, begriff er, was vorging. Der Horcling entstofflichte sich, um sich dann wieder zu verfestigen, genauso wie er, Arlen, es tat, oder überhaupt jede Kreatur des Horcs. Dieser Dämon konnte sich einfach in unterschiedlichen Gestalten neu formen. Dem Tätowierten Mann schossen tausend Möglichkeiten durch den Kopf, als er sich dies vergegenwärtigte, zu viele, um über alle nachzudenken. Er verscheuchte diese Offenbarung wie eine lästige Fliege und griff seinen Gegner erneut an.
Während des Sekundenbruchteils, in dem sich der Dämon im Übergangsstadium befand, entmaterialisierte sich der Tätowierte
Mann ebenfalls und vermischte sich ein wenig mit dem Horcling, um ihn daran zu hindern, sich wieder zu verstofflichen. Für ihn fühlte sich der Dämon immer noch an als hätte er eine feste Gestalt, aber Rennas entsetzte Schreie klangen als sei sie eine Meile weit entfernt. Ihm war klar, was sie fühlen musste, als er und der Dämon entschwanden wie Geister, aber es ging nicht anders.
Schon einmal hatte er auf diese Weise mit einem Horcling gekämpft, und er wusste, dass in diesem Zustand physische Stärke und Siegel ihre Bedeutung verloren. Jetzt war allein die Kraft des Willens ausschlaggebend, und der Tätowierte Mann hatte nicht den geringsten Zweifel, dass sein Wille stärker war als der des Dämons.
Er heftete sich an die Moleküle des Horclings, sorgte dafür, dass sie zerstreut und instabil blieben, gelenkt von seinem Willen. Er spürte die plötzlich aufkeimende Furcht in der Kreatur und schürte sie zusätzlich mit seinem Groll und seiner Wut, versuchte ihren Willen zu brechen wie ein Elternteil ein ungezogenes Kind gefügig machen würde.
Doch genau in dem Moment, als der Mimikry nachzugeben begann, berührte ihn ein anderer Wille - dieser jedoch war tausendfach stärker.
Der Horcling-Prinz klammerte sich an einen hohen Baumwipfel und beobachtete den Kampf von oben; sein Geist jedoch steckte hinter den Augen des Mimikrys, und während der gesamten Dauer der
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