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Das Flüstern der Toten (German Edition)

Das Flüstern der Toten (German Edition)

Titel: Das Flüstern der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Darynda Jones
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fuhr zu ihm herum. »… haben Sie mich angefasst?« Irgendwer hatte praktisch meinen rechten Knöchel befummelt, jemand Kaltes, und da er nun mal der einzige Tote im Zimmer gewesen war …
    »Wie bitte?«, sagte er entrüstet.
    »Vorhin, als ich noch im Bett war.«
    »Aber nein.«
    Ich kniff die Augen zusammen, ließ den Blick bedrohlich auf ihm ruhen und humpelte dann weiter Richtung Badezimmer.
    Ich brauchte eine Dusche. Dringend. Und ich konnte nicht den ganzen Tag herumtrödeln. Sonst würde Onkel Bob noch der Schlag treffen.
    Doch während ich mich dem Bad näherte, erkannte ich, dass mir der schlimmste Teil meines Morgens – in dem es Licht wurde – unmittelbar bevorstand. Ich stöhnte und dachte daran, ohne Rücksicht auf die Arterien meines Onkels weiter zu trödeln.
    Da musst du jetzt durch , sagte ich mir. Daran führte kein Weg vorbei.
    Ich stützte mich mit zittriger Hand an der Wand ab, hielt die Luft an und kippte den Lichtschalter.
    »Ich bin blind!«, kreischte ich und hielt mir die Arme vor die Augen. Ich versuchte, mich auf den Fußboden zu konzentrieren, das Waschbecken, die Clorox-Toilettenbürste. Alles ein einziger verschwommener weißer Fleck.
    Ich benötigte unbedingt weniger wattstarkes Licht.
    Ich stolperte rückwärts, fing mich und zwang mich, einen Fuß vor den anderen zu setzen, ohne noch mal zurückzuweichen. Ich ließ mich doch nicht von einer Glühbirne aufhalten. Ich hatte einen Job, verdammt.
    »Wussten Sie, dass Sie einen Toten in Ihrem Wohnzimmer haben?«, fragte der Tote.
    Ich drehte mich zu ihm um, dann ließ ich den Blick durchs Zimmer schweifen, bis zu der Stelle, an der Mr Wong stand, der uns den Rücken zukehrte und die Nase in die Ecke steckte. Ich sah wieder den Toten Nummer eins an und fragte: »Meinen Sie nicht, da zieht der Topf über den Kessel her?«
    Mr Wong war ebenfalls tot. Ein Toter wie ein Halbwüchsiger, kaum größer als eins fünfzig. Außerdem war er grau, von Kopf bis Fuß fast monochrom in seiner Durchsichtigkeit, trug irgendeine graue Uniform, und auch Haut und Haare waren aschgrau. Er sah aus wie ein chinesischer Kriegsgefangener, und er stand Tag für Tag, Jahr für Jahr in meiner Ecke, ohne sich je zu bewegen oder etwas zu sagen. Obwohl ich ihm keinen Vorwurf machen konnte, dass er mit dieser Farbe und so weiter nicht häufiger vor die Tür ging, fand ich doch, dass Mr Wong ein durchgeknallter Typ war.
    Natürlich war der Umstand, dass bei mir ein Geist in der Ecke stand, nicht eigentlich unheimlich, aber in dem Augenblick, wo der Neue entdeckte, dass Mr Wong in Wahrheit gar nicht in meiner Ecke stand , sondern mit den Zehen zentimeterhoch über dem Boden schwebte, würde er bestimmt durchdrehen.
    Ich lebte für solche Augenblicke.
    »Guten Morgen, Mr Wong!«, rief ich halblaut. Ich war mir nicht sicher, ob Mr Wong mich überhaupt hören konnte. Das war vermutlich gut so, denn ich hatte keinen Schimmer, wie Mr Wong wirklich hieß. Ich nannte ihn nur so, solange er noch nicht von dem unheimlichen Toten in der Ecke zu einem normalen wandelnden Toten geworden war, der er, falls ich ein Wörtchen mitzureden hatte, eines Tages mal sein würde. Selbst Tote sollten es sich gut gehen lassen.
    »Muss er in der Ecke stehen, weil er was verbrochen hat?«
    Gute Frage. »Ich habe keine Ahnung, wieso er in der Ecke steht. Der steht da schon, seit ich die Wohnung gemietet habe.«
    »Sie haben die Wohnung mit einem Toten in der Ecke gemietet?«
    Ich zuckte die Achseln. »Ich wollte die Wohnung und dachte, ich könnte ihn mit einem Bücherregal oder irgendwas verdecken. Doch die Vorstellung, hinter meiner Ausgabe von Sweet Savage Love einen Toten herumhängen zu haben, störte mich. Ich konnte ihn nicht einfach dalassen. Zumal er vielleicht gar nicht auf Liebesromane steht.«
    Ich sah mir die neuste körperlose Wesenheit, die mich mit ihrer Gegenwart beehrte, genau an. »Wie heißen Sie eigentlich?«
    »Oh, wie unhöflich von mir«, sagte er, straffte sich und kam auf mich zu, um mir die Hand zu schütteln. »Ich bin Patrick. Patrick Sussman. Der Dritte.« Er verstummte und betrachtete seine Hand, um mich gleich darauf anzuglotzen wie ein Schaf. »Ich glaube nicht, dass wir tatsächlich – «
    Ich drückte ihm fest die Hand. »Doch, Patrick, Patrick Sussman, der Dritte, wir können.«
    Er runzelte die Stirn. »Das kapier ich jetzt nicht.«
    »Tja, nun«, sagte ich und ging ins Bad, »willkommen im Club.«
    Als ich die Badezimmertür schloss, hörte ich, wie Patrick

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