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Das flüsternde Haus: Eine Hommage an Edgar Allan Poe

Das flüsternde Haus: Eine Hommage an Edgar Allan Poe

Titel: Das flüsternde Haus: Eine Hommage an Edgar Allan Poe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Sidjani
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Buchstaben, die mir bekannt waren, entzogen sich ohne Kontext jedem Sinn; das Gekritzel gescheiterter Existenzen, mehr war es nicht. Meinen Blick nach links gerichtet, auf das bunte Graffiti-Treiben, bemerkte ich erst nicht, dass ich zur Hauptstraße gelangt war, an die sich das Warenhaus presste, als wollte es über den Gehweg auf die andere Seite flüchten. Auch dort, nach der Ecke war seine Fassade ausladend und unrein, Fenster angebrochen, besudelt mit Unrat, bepinkelte Stufen, die zum Haupteingang führten. Am Vordach entlang zog sich ein feiner doch wahrnehmbarer Riss, der sich im Zickzack über ein Wandteil der Fassade schlich und im Bürgersteig verlor. Dort war es dann, als ich wieder aufblickte und meinen Freund bemerkte, der schon während meines gedankentrunkenen Wanderns weiter vorn gestanden haben musste – fürwahr, sein Äußeres bescheinigte mir, wie recht ich hatte, er gehörte hierhin.
    Mein Freund hatte mich früher gesehen als ich ihn, das wurde mir deutlich, weil er mich sogleich mit einem gehobenen Arm grüßte, kaum war er mir aufgefallen. Seine Bewegungen wirkten träge, eines Somnambulen gleich, der in seinem Schlaf einfachste Gesten ausführte – und trotzdem, neben diesem Erscheinen äußerte sich eine Angespanntheit im aufgerichteten Rücken und der seltsam steifen Position der Beine. Ich brauchte kaum zehn Schritte, um ihn zu erreichen, doch er verharrte dort, bis ich in Hörweite war, und begrüßte mich mit warmen Worten der Wiedersehensfreude. Dies nun glaubte ich ihm nicht, vermutete ein Schauspiel, als er mir kurz darauf die Arme auf meine Schultern legte und ein Lächeln offenbarte, das zugleich von Freude und Trauer sprach. Freude über mein Erscheinen, doch Trauer über all das, was sich in den letzten Wochen, gar Monaten in sein Gemüt gefressen hatte. Seine Erscheinung hatte sich in den, was mögen sie mehr sein als zwei Jahrzehnte so furchtbar verändert, dass ich mich scheute, ihm länger in die Augen zu sehen – Augen, deren Glanz getrübt war und die von Falten ringsum gealtert wurden. Sein Haar, einst strahlend und voll, nun ausgezehrt und wirr, wie Stroh, das durch die Kraft der Sonne bald zu brechen drohte. Die leichenhafte Blässe seines Gesichts schluckte seine sonst so attraktiven Züge – die gerade Nase und die schmalen doch schön geschwungenen Lippen, und seine markanten Wangenknochen, die ihm jenen besonderen Ausdruck verliehen, dass man sein Antlitz nicht vergessen konnte. All das nun litt unter dieser Blässe, die seine Haut beinah durchscheinend machte und so das noch hellere Weiß der Knochen darunter offenbarte. Dazu wirkte seine schmächtige Gestalt als hämische Ergänzung für den trauernden und zurückgezogen lebenden Witwer. Unter dem Schatten des Vordachs war Dennis ein Gespenst, das sich nur kurz aus seinem Gemäuer wagte, aus jenem Warenhaus, auf das er zeigte, kaum war unsere Begrüßung abgetan. Seine Gestalt hatte mich so abgelenkt, dass ich erst spät erkannte, wir trafen uns vor einer weiteren Tür, die ins Warenhaus führte, jedoch nicht zur Verkaufsfläche, stand auf dem Glase doch Personaleingang . Die letzten fünf Minuten war ich mir derart fremd vorgekommen, als Marionette meiner Umwelt, die meine Wahrnehmung zu filtern und damit zu kontrollieren schien.
    Mein Freund griff mit der rechten Hand in seine Hosentasche – die Kleidung im Übrigen blieb das Einzige, das von seinem bedächtigen und früher so aufgeräumten Charakter zeugte; ein letztes Detail, das mich wenig beruhigte – und förderte ein Schlüsselbund zu Tage, dabei schritt er die erste Stufe zu den Türen empor.
    „Lass uns zunächst hinein gehen“, sagte er beiläufig, „danach können wir alles weitere bereden.“
    „Wie, du willst dort hinein?“
    Dennis hielt auf der zweiten Stufe inne, drehte sich zu mir und ich sah mich bestätigt, was ich über seine Handschrift vermutet hatte. So hätte sein Brief ausgesehen – zittrig wie seine Hand und ihre dünnen, blassen Finger, die den Schlüsselbund umkrallten, während er mit leichten Schlägen gegen den Oberschenkel versuchte, einer übermäßig nervösen Erregung Herr zu werden. In seinem Benehmen fiel mir das Unstete auf, zu dem er früher nicht geneigt war. In einem Moment dieses apathisch Somnambule, im anderen der jetzt auch leicht schwankende Mensch. Ja, trunken wirkte er und sein Sprechen, seine Stimme und Betonung erinnerte an jenes bleierne, kehlige Raunen, zu dem nur Berauschte fähig waren.
    „Ach, das

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