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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Wochen darauf der pauv’ Monsieur Gros war tot auf mysteriöse manière.
    Daß dieser Boutroux maneuvriert mit Substance véléneuse, das hat etabliert auch der Jury d’honneur, was war einberufen von den Martinistes de Lyon...«
    »Aufgrund von Verleumdungen...«, sagte Bramanti.
    »Ah dis donc! Ein Process über Sachen von diese Sort ist immer ein Process von Indicen...«
    »Ja, aber daß der Monsieur Gros ein Alkoholiker war, mit Leberzirrhose im letzten Stadium, das ist dem Tribunal nicht gesagt worden.«
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    »Seien Sie nicht enfantil! Die Dsauberei procediert auf na-türlische Wege, und wenn einer hat die Zirrhose, man wird ihn treffen auf sein malades Organ, das ist der Abécé von jeder Magie noire...«
    »Also immer wenn einer an Zirrhose stirbt, ist es der gute Boutroux gewesen! Daß ich nicht lache!«
    »Alors, dann erzählen Sie mir, was ist passiert in Lyon diese letzte zwai Wochen... Kapelle entwaiht, ‘Ostie mit Tetragrammatón, der Abbé Boutroux in groß rot Robe mit Kreuz umgekehrt drauf, und Madame Olcott, seine Voyante personelle, um nich su sagen noch mehr, erscheint mit Tri-dent auf die Stirn, und leere Kelsche, die sich füllen gans von allain mit Blut, und der Abbé craschiert in die Mund von die Gläubigen... Cest vrai ou non?«
    »Sie haben wohl zuviel Huysmans gelesen, mein Lieber!«
    rief Bramanti lachend. »Das war doch ein kulturelles Ereignis, eine historische Rekonstruktion, wie die Gedenkfeiern der Wicca-Schule und der druidischen Kollegien!«
    »Quais, le Carneval de Venise...«
    Wir hörten ein Getümmel, als ob Bramanti seinem Gegner an die Gurgel wollte und Agliè ihn nur mühsam zurückhalten konnte. »Vous voyez, vous voyez!« schrie der Franzose mit sich überschlagender Stimme. »Aber seien Sie vorsik-tich, Monsieur Bramongtí, fragen Sie Ihren Freund Boutroux, was ihm ist passiert! Sie wissen es noch nich, aber er ist im Hôpital, oui, fragen Sie ihn, wer ihm hat cassiert die Figüre! Auch wenn ich nich praktizier diese Ihre Goetiá-là, waiß ich doch auch was davon, und als ich hatte kapiert, daß mein Haus war habité, hab isch traciert auf das Parquet le Cercle de Défense, und weil ich nich glaube daran, moi non, mais vos petits diables oui, hab ich gehoben das Scapulaire du Carmel und hab ihm gemakt das Contresigne,
    l’envoûtement retourné, ah oui! Alors, da hat Ihr Abbé gehabt ain terrible Moment!«
    »Sehen Sie, sehen Sie?« schnaubte Bramanti. »Er ist es, der hier die Malefizen macht!«
    »Meine Herren, das reicht jetzt«, ließ Agliè sich ruhig, aber bestimmt vernehmen. »Hören Sie mir zu. Sie wissen, wie sehr ich diese Vergegenwärtigungen überholter Rituale auf der Erkenntnisebene schätze, und für mich sind die Luzifeti-sche Kirche oder der Satansorden gleichermaßen respekta-333
    bel, jenseits aller dämonologischen Differenzen. Sie kennen meinen Skeptizismus in diesen Dingen, aber schließlich ge-hören wir immer noch zu derselben spirituellen Ritterschaft, und ich bitte Sie um ein Mindestmaß an Solidarität. Und überdies, meine Herren, wie kann man den Fürsten der Finsternis in persönliche Streitereien hineinziehen! Wenn es wahr wäre, was Sie sagen, wäre es kindisch. Also was soll’s, das sind doch Märchen für Okkultisten. Sie benehmen sich wie vulgäre Freimaurer. Boutroux ist ein Wirrkopf, seien wir ehrlich, und allenfalls sollten Sie, Bramanti, ihn auffordern, seinen Trödelkram an einen Opernrequisiteur zu verkaufen, für den Mephistopheles von Boito...«
    »Ah, ah, c’est bien dit ça«, freute sich der Franzose, »c’est de la brocanterie...«
    »Betrachten wir den Fall nüchtern. Was ist denn geschehen? Es hat eine Debatte über liturgische Formalitäten gegeben, die Gemüter haben sich erhitzt, aber wir wollen doch, wie man bei uns sagt, den Schatten nicht Körper geben.
    Wohlgemerkt, lieber Pierre, ich schließe keineswegs aus, daß in Ihrem Hause fremde Präsenzen umgehen, das ist die nor-malste Sache der Welt, aber mit einem Minimum an gesun-dem Menschenverstand ließe das Ganze sich auch durch einen Poltergeist erklären...«
    »Ja, das würde ich nicht ausschließen«, sagte Bramanti,
    »bei der derzeitigen Astralkonjunktur...«
    »Also bitte! Auf, meine Herren, geben Sie sich die Hand.
    Und einen Bruderkuß!«
    Wir hörten gemurmelte Entschuldigungen. »Sie wissen doch selbst«, sagte Bramanti, »manchmal muß man, um herauszufinden, wer wirklich auf Initiation bedacht ist, auch der Folklore nachgeben. Sogar jene

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