Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
Händler des Großen Orients, die an nichts glauben, haben ein Ritual.«
    »Bien entendu, le rituel, ah ça...«
    »Aber wir sind nicht mehr in den Zeiten Crowleys, einverstanden?« sagte Agliè. »Jetzt muß ich Sie leider verlassen, ich habe noch andere Gäste.«
    Wir eilten rasch zum Sofa zurück und erwarteten Agliè in gefaßter und zwangloser Haltung.
    334

47
    So war es denn unser hohes Bemühen, eine Ord-
    nung in diesen sieben Maßen zu finden, die um-
    fassend, ausreichend und distinkt sei und stets den Sinn wach und das Gedächtnis erregt halte...
    Diese hohe und unvergleichliche Collocation
    dient nicht nur dazu, die uns anvertrauten Din-
    ge, Worte und Künste zu bewahren..., sondern
    gibt uns darüber hinaus auch die wahre Weis-
    heit.
    Giulio Camillo Delminio, L’Idea del Theatro, Florenz, Torren-tino, 1550, Einleitung
    Kurz darauf erschien Agliè. »Bitte entschuldigen Sie mich, liebe Freunde, ich komme aus einer recht unangenehmen Diskussion. Wie Freund Casaubon weiß, betrachte ich mich als einen Liebhaber der Religionsgeschichte, und das hat zur Folge, daß etliche, und nicht selten, sich um Rat an mich wenden, vielleicht mehr an meinen common sense als an meine Fachkenntnisse. Es ist schon kurios, was für singuläre Personen man bisweilen unter den Adepten der Weisheits-studien finden kann... Ich meine nicht nur die üblichen Melancholiker auf der Suche nach transzendentalem Trost, sondern auch Leute mit profundem Wissen und großer intellektueller Feinsinnigkeit, die sich jedoch dessenungeachtet nächtlichen Phantastereien hingeben und dabei den Sinn für die Grenze zwischen überlieferter Wahrheit und dem Archipel des Wunderlichen verlieren. Die beiden Herren, mit denen ich eben sprach, stritten sich über kindische Mutmaßungen. Dergleichen kommt leider, wie man so schön sagt, in den besten Familien vor. Aber nun folgen Sie mir bitte in meine Klause, da können wir in einer angenehmeren Atmosphäre plaudern.«
    Er schob den Ledervorhang beiseite und ließ uns ins Ne-benzimmer eintreten. Klause hätten wir es nicht genannt, so geräumig, wie es sich darbot, ringsum möbliert mit exquisi-335
    ten Regalen voll kostbar gebundener Bücher, sicherlich alle von ehrwürdigem Alter. Was uns besonders frappierte, waren einige Glasvitrinen, die schwer bestimmbare Objekte enthielten, Steine, wie uns schien, und kleine Tiere, bei denen wir nicht zu erkennen vermochten, ob sie ausgestopft oder mumifiziert oder fein nachgebildet waren. Über allem lag ein diffuses Dämmerlicht. Es schien durch ein großes Doppelfenster mit bleigefaßten Rautenscheiben von bern-steinartiger Transparenz einzudringen, aber das Licht aus dem Fenster vermischte sich mit dem Schein einer großen Lampe auf einem Schreibtisch aus dunklem Mahagoni, bedeckt mit Papieren. Es war eine von jenen Lampen mit grü-
    nem Glasschirm, wie man sie bisweilen noch auf den Leseti-schen alter Bibliotheken findet, die ein helles Oval auf die Buchseiten werfen, aber die Umgebung in einem milchigen Zwielicht belassen. Genau dieses Spiel verschiedener Lichter, beide aus unnatürlicher Quelle, ließ nun jedoch die Farben der Deckenbemalung eher aufleuchten als erlöschen.
    Es war eine gewölbte Decke, deren Bemalung den Eindruck weckte, als würde sie an den vier Ecken von schlan-ken, ziegelroten Säulen mit kleinen vergoldeteten Kapitellen getragen, doch das trompe-l‘oeil der Bilder, die sie überzogen, aufgeteilt in sieben Felder, ließ sie gebläht wie ein Segel erscheinen, und der ganze Raum hatte den Charakter einer Totenkapelle mit einer leicht sündhaften, melancholisch sinnlichen Note.
    »Mein kleines Theater«, sagte Agliè, »in der Manier jener Phantasien der Renaissance, die bildliche Enzyklopädien ausbreiteten, Gesamtdarstellungen des Universums. Mehr als ein Wohnraum ist dies für mich eine Maschine der Erinnerung. Hier sehen Sie kein Bild, das, wenn es sich in der richtigen Weise mit anderen verbindet, nicht ein Mysterium der Welt enthüllte und resümierte. Betrachten Sie jene Prozession von Figuren, die der Maler derjenigen im Palast zu Mantua nachgebildet hat: Es sind die sechsunddreißig Dekane, die Herren des Himmels. Und daher wollte ich, aus alter Gewohnheit und Treue zur Tradition, als ich diese herrliche Rekonstruktion von wer weiß wessen Hand gefunden hatte, daß auch die kleinen Objekte in den Vitrinen, die mit den Deckenbildern korrespondieren, die Grundelemente des Universums darstellen, Feuer, Wasser, Luft und Erde. So

Weitere Kostenlose Bücher