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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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von Tag zu Tag größer werden«, sagte Agliè. »Jeden Morgen werden die Gefäße unter frischem Pferdemist vergraben, der die richtige Wärme zum Wachsen liefert. Deshalb finden Sie bei Paracelsus Rezepte, in denen es heißt, Homunculi müsse man in der Temperatur des Pfer-debauchs züchten. Unserem Gastgeber zufolge reden diese Homunculi mit ihm, teilen ihm Geheimnisse mit sagen ihm die Zukunft voraus, der eine enthüllt ihm die Maße des Salomonischen Tempels, der andere lehrt ihn, wie man Dämonen austreibt... Ehrlich gesagt, ich habe sie noch nie reden 416
    hören.«
    Sie hatten enorm bewegliche Gesichter. Der König sah die Königin zärtlich an und hatte einen sehr sanften Blick.
    »Unser Gastgeber hat mir erzählt, eines Morgens hätte er den blauen Knaben draußen gefunden, wer weiß wie seinem Käfig entsprungen, während er gerade versuchte, das Glas seiner Gefährtin zu öffnen... Doch er war außerhalb seines Elements, er atmete schwer, und sie konnten ihn gerade noch rechtzeitig wieder in seine Flüssigkeit setzen.«
    »Schrecklich«, meinte Diotallevi. »Ich hätte nicht gern so eine Verantwortung. Dauernd muß man dieses Gefäß mit sich rumschleppen und überall, wo man hingeht, diesen Pferdemist finden. Und was macht man im Sommer mit ihnen? Läßt man sie beim Hausmeister?«
    »Nun, vielleicht«, schloß Agliè, »sind es ja nur Kartesische Teufelchen. Oder Automaten.«
    »Teufel, Teufel!« sagte Garamond. »Sie enthüllen mir da eine ganz neue Welt, Herr Doktor Agliè. Wir müßten alle viel demütiger werden, liebe Freunde. Es gibt mehr Dinge im Himmel und auf Erden... Aber schließlich, à la guerre comme à la guerre...«
    Garamond war einfach hingerissen. Diotallevi bewahrte sich eine neugierig-zynische Miene, was Belbo anging, so zeigte er keinerlei Gefühlsregung.
    Ich wollte mich von jedem Zweifel befreien und sagte zu ihm: »Schade, daß Lorenza nicht mitgekommen ist, sie hätte sich amüsiert.«
    »Ja, sicher«, antwortete er abwesend.
    Lorenza war nicht gekommen. Und mir ging es wie Amparo in Rio. Mir war elend zumute. Ich fühlte mich wie überrumpelt. Und man hatte mir kein Agogõ gegeben.
    Ich verließ die Gruppe, ging wieder ins Haus und drängte mich durch die Menge, kam ans Büffet, nahm mir etwas zu trinken und fürchtete, es könnte ein Zaubertrank sein. Ich suchte eine Toilette, um mir die Stirn und den Nacken zu kühlen, fand eine und fühlte mich besser. Doch als ich hin-austrat, erblickte ich eine Wendeltreppe und konnte der Versuchung des neuen Abenteuers nicht widerstehen. Vielleicht, obwohl ich glaubte, mich wieder erholt zu haben, suchte ich immer noch nach Lorenza.
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    Armer Tor! Bist du so einfältig zu glauben, wir würden dich offen das größte und wichtigste aller Geheimnisse lehren? Ich versichere dir, wer im gewöhnlichen Buchstabensinn der Worte er-klären will, was die Hermetischen Philosophen
    schreiben, wird sich in den Mäandern eines La-
    byrinthes finden, aus dem er nicht zu entkom-
    men vermag, und wird keinen Faden der Ariad-
    ne haben, der ihn hinausführt.
    Artephius
    Ich gelangte in einen unterirdischen Saal, spärlich erleuchtet, mit Wänden in Rocaille wie die Brunnen im Park. In einer Ecke entdeckte ich eine Öffnung, ähnlich dem Trichter eines gemauerten Schachts, und schon von weitem hörte ich Geräusche daraus hervorkommen. Ich trat näher, und die Geräusche wurden klarer unterscheidbar, bis ich einzelne Sätze verstand, deutlich artikuliert, als würden sie neben mir gesprochen. Ein Horchrohr, ein Ohr des Dionysios!
    Das Rohr führte offensichtlich zu einem der oberen Säle, und so hörte ich die Reden derer, die an seiner Mündung vorbeikamen.
    »Gnädige Frau, ich will Ihnen sagen, was ich noch niemandem gesagt habe. Ich bin müde... Ich habe mit Zinnober und mit Quecksilber experimentiert, ich habe alle Arten von Spiritus sublimiert, Fermente, Eisen- und Stahlsalze und ihre Schlacken, und ich habe den Stein nicht gefunden. Dann habe ich Scheidewasser bereitet, ätzende Wasser, brennende Wasser, aber das Ergebnis war immer dasselbe. Ich habe Eierschalen, Schwefel, Vitriol und Arsen benutzt, Salmiak, Glassalz, Alkalisalz, Kochsalz, Steinsalz, Salpeter, Natron-salz, Attincarsalz, Weinsteinsalz, Alembrotsalz, aber glauben Sie mir, hüten Sie sich vor all diesen Stoffen. Meiden Sie die unvollkommenen Rotmetalle, sonst werden Sie so ge-418
    täuscht, wie ich getäuscht worden bin. Ich habe alles probiert: das Blut, die Haare, die Seele

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