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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Habsburgernase, an jenes seltsame Lamm mit herunterhängenden Beinen, das an der Taille aufgehängt ist. Ja, das war’s, diese Leute schmückten sich mit einer akzeptablen Imitation des Goldenen Vlieses.
    Bramanti sprach mit erhobenen Armen, als rezitierte er eine Liturgie, und die Anwesenden respondierten im Chor.
    Nach einer Weile hob Bramanti den Degen, und alle zogen etwas wie ein Stilett oder einen Brieföffner aus der Tunika und hielten es hoch. In diesem Moment ließ Agliè den Vorhang fallen. Wir hatten schon zuviel gesehen.
    Wir entfernten uns leise (auf Pink Panthers Pfoten, wie Diotallevi präzisierte, erstaunlich gut informiert über die Perversionen der modernen Welt) und fanden uns draußen im Garten wieder, ein wenig außer Atem.
    Garamond war bestürzt. »Sind das... Freimaurer?«
    »Oh«, sagte Agliè, »was heißt Freimaurer? Es sind die Adepten eines Ritterordens, der sich auf die Rosenkreuzer beruft und indirekt auf die Templer.«
    »Dann hat das alles gar nichts mit Freimaurerei zu tun?«
    fragte Garamond noch einmal.
    »Wenn es eine Gemeinsamkeit gibt zwischen dem, was Sie 423
    gesehen haben, und der Freimaurerei, dann die Tatsache, daß auch Bramantis Ritus ein Hobby für Provinzhonoratio-ren und Politikaster ist. Aber so war’s von Anfang an, die Freimaurerei war noch nie etwas anderes als eine schwächliche Anknüpfung an die Templerlegende. Und dies hier ist die Karikatur einer Karikatur. Nur daß diese Herren sie fürchterlich ernst nehmen. Leider! Die Welt wimmelt von Rosenkreuzern und Templern wie denen, die Sie heute abend hier gesehen haben. Nicht von ihnen dürfen Sie eine Offenbarung erwarten, auch wenn gerade sie es sind, unter denen man einen glaubwürdigen Initiierten antreffen könn-te.«
    »Aber schließlich«, fragte Belbo, und er fragte es ganz ohne Ironie, ohne Argwohn, als beträfe die Frage ihn persönlich,
    »schließlich verkehren doch Sie hier. An wen glauben Sie...
    Pardon: glaubten Sie unter all diesen hier?«
    »An niemanden selbstverständlich. Sehe ich aus wie ein gläubiger Mensch? Ich betrachte sie mit dem kühlen Blick, dem Verständnis und dem Interesse, mit welchen ein Theologe die neapolitanischen Massen betrachten kann, die voller Erregung auf das Wunder von San Gennaro warten. Diese Massen bezeugen einen Glauben, ein tiefes Bedürfnis nach Gläubigkeit, und der Theologe bewegt sich unter diesen schwitzenden und schreienden Leuten, weil er unter ihnen den unbekannten Heiligen antreffen könnte, den Träger einer höheren Wahrheit, der eines Tages imstande sein könn-te, ein neues Licht auf das Mysterium der allerheiligsten Trinität zu werfen. Doch die allerheiligste Trinität ist nicht San Gennaro.«
    Er war nicht zu packen. Ich wußte nicht, wie ich seine Haltung definieren sollte, diesen hermetischen Skeptizismus, diesen liturgischen Zynismus, diese höhere Ungläubigkeit, die ihn dazu brachte, die Würde jedes von ihm verachteten Aberglaubens anzuerkennen.
    »Es ist doch ganz einfach«, sagte er zu Belbo. »Wenn die Templer, ich meine die wahren, ein Geheimnis hinterlassen und eine Kontinuität gestiftet haben, dann muß man nach ihren Erben suchen, und das in denjenigen Kreisen, in denen sie sich am besten verbergen könnten, wo sie womöglich selber Riten und Mythen erfinden, um sich unbemerkt bewegen zu können wie Fische im Wasser. Was macht die 424
    Polizei, wenn sie den genialen Ausbrecher sucht, das Genie des Bösen? Sie wühlt in den bas fonds, im Bodensatz der Gesellschaft, in den Spelunken, wo sich die kleinen Strolche herumtreiben, die niemals soweit gelangen werden, die grandiosen Verbrechen des Gesuchten auch nur zu konzipieren. Was macht der Stratege des Terrorismus, um seine künftigen Anhänger zu rekrutieren, um sich mit den Seinen zu treffen und sie zu erkennen? Er geht in die Lokale der Pseudo-Aussteiger, wo viele, die nie wirklich aussteigen werden, weil sie viel zu schwach dazu sind, ostentativ die vermeintlichen Verhaltensweisen ihrer Idole mimen. Wo sucht man das verlorene Licht? In den Bränden sucht man es, oder im Unterholz, wo nach dem Brand die Flammen weiterschwelen unter den toten Wurzeln, dem Fettschlamm, dem halbverbrannten Laub. Und wo könnte sich der wahre Templer besser verbergen als in der Menge seiner Karikaturen?«
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    Wir betrachten als druidische Gesellschaften per definitionem diejenigen Gesellschaften, die sich als druidisch in ihrem Namen oder in ihren Zielen bezeichnen und Initiationen gewähren,

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