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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Schließlich fanden wir uns auf der Straße wieder. Wir könnten in knapp zwei Stunden in Mailand sein, sagte Agliè. Bevor er zu Garamond in den Mercedes stieg, verabschiedete er sich mit den Worten: »Verzeihen Sie bitte, wenn ich das Schauspiel unterbrochen habe.
    Ich wollte Ihnen etwas zeigen, jemanden, der um uns lebt und für den im Grunde auch Sie mittlerweile arbeiten. Aber mehr gab es nicht zu sehen. Als ich über dieses Ereignis informiert wurde, mußte ich versprechen, die Zeremonie nicht zu stören. Unsere Anwesenheit hätte die folgenden Phasen negativ beeinflußL«
    »Aber was ist mit den Schweinen? Und was passiert jetzt?«
    fragte Belbo.
    »Was ich sagen konnte, habe ich gesagt.«
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    »Woran erinnert dich dieser Fisch?«
    »An andere Fische.«
    »Woran erinnern dich die anderen Fische?«
    »An andere Fische.«
    Joseph Heller, Catch22, New York, Simon & Schuster, 1961, XXVII
    Ich kam mit vielen Gewissenbissen aus Piemont zurück.
    Aber kaum sah ich Lia wieder, vergaß ich alle Begierden, die mich gestreift hatten.
    Allerdings hatte der Ausflug andere Spuren in mir hinterlassen, und ich finde es jetzt beunruhigend, daß sie mich damals nicht beunruhigt hatten. Ich war dabei, die Bilder für die Geschichte der Metalle Kapitel für Kapitel definitiv zu ordnen, und es gelang mir nicht mehr, mich dem Dämon der Ähnlichkeit zu entziehen, wie seinerzeit in Rio. Worin unterschieden sich dieser zylindrische Ofen von Reaumur, 1750, dieser Brutkasten zum Eierausbrüten und dieser barocke Athanor, ein Mutterleib, ein obskurer Uterus zum Ausbrüten von wer weiß was für mystischen Metallen? Es war, als hätte man das Deutsche Museum in jenem piemontesischen Schloß installiert, das ich eine Woche zuvor besucht hatte.
    Es fiel mir immer schwerer, die Welt der Magie von dem zu trennen, was wir heute das Universum der Präzision und Exaktheit nennen. Ich fand Personen wieder, die mir in der Schule als Träger des Lichts der Mathematik und Physik inmitten der Finsternis des Aberglaubens nahegebracht worden waren, und entdeckte, daß sie bei ihrer Arbeit im Laboratorium mit einem Fuß in der Kabbala gestanden hatten.
    War ich womöglich dabei, die ganze Geschichte mit den Augen unserer Diaboliker neu zu lesen? Ich riß mich zusammen, aber dann fand ich unverdächtige Texte, die mir er-zählten, wie die positivistischen Physiker, sobald sie abends die Universität verließen, eiligst hingingen, um sich in tele-431
    pathische Séancen und astrologische Tafelrunden zu stürzen, und wie Newton zu den Gesetzen der universalen Gravitation gelangt war, weil er an die Existenz okkulter Kräfte glaubte (was mich an seine Ausflüge in die rosenkreuzerische Kosmologie erinnerte).
    Ich hatte mir die Ungläubigkeit zu einer wissenschaftlichen Pflicht gemacht, aber nun mußte ich auch den Meistern mißtrauen, die mich gelehrt hatten, ungläubig zu werden.
    Ich bin wie Amparo, sagte ich mir: ich glaube nicht daran, aber ich falle darauf herein. Und ich ertappte mich beim Nachdenken darüber, daß die Höhe der Großen Pyramide im Grunde ja wirklich ein Milliardstel der Entfernung Erde-Sonne betrug, oder daß es ja tatsächlich Analogien zwischen keltischer und indianischer Mythologie gab. Und so begann ich, alles und jedes, was mich umgab, zu befragen, die Häuser, die Firmenschilder, die Wolken am Himmel und die Abbildungen in den Büchern, um ihnen nicht ihre eigene Geschichte, sondern eine andere zu entlocken, eine, die sie gewiß verbargen, aber die sie letztlich gerade aufgrund und kraft ihrer mysteriösen Ähnlichkeiten enthüllten.
    Es rettete mich Lia, jedenfalls für den Moment.
    Ich hatte ihr alles (oder fast alles) von unserem Ausflug nach Piemont erzählt, und jeden Abend kam ich mit neuen kuriosen Entdeckungen heim, um sie in meine Kartei der Querverweise einzutragen. »Iß, du bist dünn wie ein Nagel«, lautete ihr Kommentar. Eines Abends setzte sie sich seitlich neben mich an den Schreibtisch, teilte die Mähne in der Mitte der Stirn, um mir gerade in die Augen zu sehen, und legte die Hände in den Schoß, wie es Hausfrauen tun. So hatte sie sich noch nie hingesetzt: die Beine gespreizt, so daß der Rock sich über den Knien spannte. Nicht sehr anmutig, dachte ich. Aber dann sah ich in ihr Gesicht, und es schien mir zu leuchten, übergossen von einer zarten Färbung. Und ich hör-te ihr — noch ohne zu wissen warum — mit Respekt zu.
    »Pim«, sagte sie, »mir gefällt die Art nicht, wie du mit dieser

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