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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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machen mußt, tust du gut daran, dich im Kreis zu bewegen, weil wenn du dich auf einer geraden Linie bewegst, ent-fernst du dich, und die Zeremonie wird sehr kurz. Und es gibt noch einen anderen Grund, warum der Kreis die beste Form für einen Ritus ist, was auch die Feuerschlucker auf den Marktplätzen wissen, weil nämlich bei einem Kreis alle gleich gut sehen können, was in der Mitte passiert, während 434
    wenn ein ganzer Stamm sich auf einer geraden Linie aufstel-len würde wie ein Trupp Soldaten, dann würden die weiter Entfernten nichts mehr sehen, und deswegen sind der Kreis und die Kreisbewegung und die zyklische Wiederkehr in allen Kulten und Riten fundamental.«
    »Ja, Mama.«
    »Ja sicher. Und jetzt zu den magischen Zahlen, die deinen Autoren so sehr gefallen. Die Eins bist du, der du einer bist und nicht zwei, eins ist dein Dingsda, und eins ist mein Dingsda, eine ist deine Nase und eins dein Herz, woran du siehst, wie viele wichtige Dinge nur einmal da sind. Und zwei sind die Augen, die Ohren, die Nasenlöcher, meine Brüste und deine Eier, die Beine, die Arme und die Pobak-ken. Die Drei ist magischer als alles andere, weil unser Körper sie nicht kennt, wir haben nichts, was dreimal vorkommt, und deswegen muß die Drei eine höchst geheimnisvolle Zahl sein, die wir Gott zuschreiben, egal wo wir leben.
    Aber wenn du’s genau bedenkst, ich hab nur eine Dingsda und du hast nur einen Dingens — still, laß jetzt die Witzelei-en —, und wenn wir unsere beiden Dinger zusammentun, kommt ein neues Dingelchen raus, und wir sind drei. Was meinst du, muß da erst ein Universitätsprofessor kommen, um zu entdecken, daß alle Pole ternäre Strukturen haben, Trinitäten oder solche Sachen? Aber die Religionen sind nicht mit dem Computer gemacht worden, sondern von ganz normalen Leuten, die ganz normal gevögelt haben, und all diese trinitarischen Strukturen sind kein Mysterium, sondern die Erzählung von dem, was du und ich machen und was sie gemacht haben. Klar? Also weiter. Zwei Arme und zwei Beine machen zusammen vier, und deswegen ist auch die Vier eine schöne Zahl, besonders wenn du bedenkst, daß die Tiere vier Beine haben und daß die kleinen Kinder auf vier Beinen laufen, wie schon die Sphinx wußte. Von der Fünf brauchen wir nicht zu reden, fünf sind die Finger der Hand, und mit zwei Händen hast du die andere magische Zahl, die Zehn, weshalb es notwendigerweise auch zehn Gebote sein müssen, denn stell dir vor, es wären zwölf, und der Priester sagt erstens, zweitens, drittens und zählt sie mit den Fingern auf, dann müßte er sich für die beiden letzten Gebote die Finger des Küsters ausleihen. Jetzt nimm den Körper und zähl mal alles, was aus dem Rumpf rausragt. Mit 435
    Armen, Beinen, Kopf und Penis sind es sechs Sachen, aber bei der Frau sind es sieben, und deswegen, scheint mir, ist die Sechs von deinen Autoren nie richtig ernst genommen worden, höchstens als Verdoppelung der Drei, weil sie nur bei den Männern funktioniert, die keine Sieben haben, und wenn sie kommandieren, ziehen sie’s vor, die Sieben als heilige Zahl zu sehen, wobei sie vergessen, daß auch meine Titten vorspringen, aber egal. Acht — mein Gott, wir haben nichts mit acht am Leib... nein, warte, wenn man die Extremitäten nicht als je eine zählt, sondern als zwei, dann haben wir wegen der Ellbogen und der Knie acht große lange Knochen, die rausragen, und nimm diese acht plus den Rumpf, und du hast neun, und wenn du den Kopf dazunimmst, kommst du auf zehn. Und so kannst du weitermachen, immer rund um den Körper herum, und kommst auf jede Zahl, die du willst, denk nur mal an die Löcher.«
    »Die Löcher?«
    »Ja, wie viele Löcher hat dein Körper?«
    »Hmm...« Ich zählte an mir: »Zwei Augen, zwei Ohren, zwei Nasenlöcher, ein Mund, ein Arschloch... Acht.«
    »Siehst du? Noch ein Grund, warum die Acht eine schöne Zahl ist. Aber ich habe neun! Und mit dem neunten lasse ich dich zur Welt kommen, und deshalb ist die Neun göttlicher als die Acht! Und willst du die Erklärung für weitere Figuren, die immer wiederkehren? Willst du die Anatomie der Menhire, von denen deine Autoren andauernd reden? Bei Tag steht man aufrecht und nachts liegt man flach, das gilt auch für dein Dingsda — nein, sag mir jetzt nicht, was dein Dingsda nachts macht, Tatsache ist, daß es im Stehen arbeitet und sich im Liegen ausruht. Und deswegen ist die vertikale Stellung das Leben und steht in Beziehung zur Sonne, und die Obelisken

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