Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
hatten Lias Wohnung neu eingerichtet.
    Das wunderbare Abenteuer der Metalle war mittlerweile in den Händen der Drucker und Korrektoren. Und an diesem Punkt hatte Signor Garamond seine geniale Idee: »Eine illustrierte Geschichte der magischen und hermetischen Wissenschaften! Mit dem Material, das uns die Diaboliker liefern, mit der Kompetenz, die Sie drei inzwischen erworben haben, und mit der Beratung durch diesen unbezahlbaren Doktor Agliè werden Sie in einem Jährchen imstande sein, einen großformatigen Band zusammenzustellen, vierhundert reich illustrierte Seiten, mit Farbtafeln, daß es einem den Atem verschlägt. Unter Verwendung auch großer Teile des Bildmaterials für die Geschichte der Metalle.«
    440
    »Ja, aber«, wandte ich ein, »das Material ist verschieden.
    Was fange ich mit dem Foto eines Zyklotrons an?«
    »Was Sie damit anfangen? Phantasie, Casaubon, Phantasie! Was passiert in diesen Atommaschinen, diesen megatro-nischen Positronen oder wie die heißen? Die Materie wird gerührt und geknetet, man streut Parmesan drauf, und raus kommen Quarks, Schwarze Löcher, zentrifugiertes Uran oder was weiß ich! Die stoffgewordene Magie, Hermes und Alkermes — na schließlich sind Sie es, der mir die Antwort geben soll! Links der alte Stich von Paracelsus, der Zauberer in seiner Alchimistenküche mit seinen Destillierkolben, auf Goldgrund, und rechts die Quasare, der Mixer für schweres Wasser, die gravitational-galaktische Antimaterie, ja muß ich denn alles selber machen? Der wahre Magier ist nicht der, der nichts kapiert und mit verbundenen Augen im Nebel herumstochert, sondern der Wissenschaftler, der der Materie ihre verborgenen Geheimnisse entreißt. Es gilt, das Wunderbare rings um uns zu entdecken, den Verdacht zu wecken, daß die Astronomen auf dem Mount Palomar mehr wissen, als sie sagen...«
    Um mich zu motivieren, erhöhte er mein Gehalt in beinahe spürbarer Weise. Also machte ich mich mit Feuereifer an die Entdeckung der Miniaturen des Liber Solis von Trismosin, des Liber Mutus, des Pseudo-Lullus. Ich füllte Schnellhefter mit Drudenfüßen, Sefiroth-Bäumen, Dekanen und Talisma-nen. Ich streifte durch die entlegensten Säle der Bibliotheken, ich kaufte Dutzende von Büchern in jenen Läden, die früher einmal die Kulturrevolution verkauft hatten.
    Unter den Diabetikern bewegte ich mich inzwischen mit der Unbefangenheit eines Psychiaters, der seinen Patienten zugetan ist und die Brisen balsamisch findet, die durch den weiten Park seiner Privatklinik wehen. Nach einer Weile beginnt er, Texte über den Wahn zu schreiben, dann wahnhaf-te Texte. Er merkt nicht, daß seine Kranken ihn angesteckt haben — er glaubt, er wäre ein Künstler geworden. So entstand die Idee des Großen Plans.
    Diotallevi machte das Spiel mit, da es für ihn eine Form des Gebetes war. Was Belbo anging, glaubte ich damals, daß er sich genauso wie ich amüsierte. Erst jetzt begreife ich, daß er kein echtes Vergnügen daran fand. Er machte mit, so wie einer Nägel kaut.
    441
    Oder aber er spielte, um wenigstens eine jener falschen Adressen zu finden, oder jene Bühne ohne Rampe, von denen er in seinem file namens »Traum« spricht. Ersatztheolo-gien für einen Engel, der nie ankommen wird.
    Filename: Traum
    Ich weiß nicht mehr, ob ich einen im andern geträumt habe, ob die Träume einander in derselben Nacht folgen, oder ob sie Nacht für Nacht alternieren.
    Ich suche nach einer Frau, einer Frau, die ich kenne, mit der ich enge Beziehungen hatte, so enge, daß ich gar nicht begreifen kann, wieso ich sie gelockert habe — ich, indem ich mich nicht mehr sehen ließ. Es kommt mir ganz unbegreiflich vor, daß ich so viel Zeit habe vergehen lassen. Ich suche gewiß nach ihr, genauer: nach ihnen, die Frau ist nicht nur eine, es sind viele, die ich alle auf die gleiche Weise verloren habe, alle durch meine Nachlässigkeit
    — und ich bin von Zweifeln erfüllt, und eine einzige würde mir schon genügen, denn eines weiß ich: durch ihren Verlust habe ich sehr viel verloren. In der Regel kann ich das Notizbuch, in dem die Telefonnummer steht, nicht finden oder habe es nicht mehr oder kann mich nicht entschließen, es aufzuschlagen, und wenn ich’s doch aufschlage, ist es, als ob ich weitsichtig wäre, ich kann die Namen nicht lesen.
    Ich weiß, wo sie ist, oder besser, ich weiß nicht, an welchem Ort, aber ich weiß, wie er aussieht, ich habe eine klare Erinnerung an eine Treppe, einen Hauseingang, eine Wohnungstür. Ich laufe

Weitere Kostenlose Bücher