Das Foucaultsche Pendel
überrumpelt zu erkennen gibt. Man stelle sich vor, wie wütend Bacon in so einem Fall gewesen sein muß: Fludd, du Idiot, konntest du nicht das Maul halten? Aber Viscount my Lord, die klangen doch wie die unseren... Narr, hat man dich nicht gelehrt, den Papisten zu mißtrauen? Dich hätten sie verbrennen sollen, nicht jenen Unglücklichen aus Nola!«
»Aber wieso«, fragte Belbo, »sind dann die Rosenkreuzer, als sie sich nach Frankreich verlagerten, von den Jesuiten —
oder von jenen katholischen Polemikern, die für sie arbeiteten — als Häretiker und Teufelsschüler attackiert worden?«
»Glauben Sie etwa, die Jesuiten gingen geradlinig vor?
Was wären das dann für Jesuiten?«
Wir hatten uns lange über meinen Vorschlag gestritten und uns schließlich darauf geeinigt, die ursprüngliche Hypothese besser zu finden: Die Rosenkreuzer waren der Köder, den die Baconianer und die Deutschen den Franzosen hingewor-fen hatten. Aber kaum waren die ersten Manifeste erschienen, hatten die Jesuiten das Spiel durchschaut. Und hatten sich unverzüglich eingemischt, um die Karten durcheinan-derzubringen. Ihr Ziel war offensichtlich, das Treffen der englischen und deutschen Gruppe mit der französischen zu verhindern, wozu ihnen jedes Mittel recht war, auch das gemeinste.
Und derweil registrierten sie Nachrichten, sammelten Informationen und speicherten sie... wo? In Abulafia, scherzte Belbo. Aber Diotallevi, der sich inzwischen eigene Informationen verschafft hatte, sagte, das sei durchaus kein Scherz.
Zweifellos waren die Jesuiten dabei, den enormen Elektro-nenrechner zu konstruieren, der imstande sein würde, eine Summe aus all den akkumulierten Daten zu ziehen, eine Konklusion aus dem geduldigen jahrhundertelangen Verrühren aller Fetzen von Wahrheit und Lüge, die sie unentwegt sammelten.
»Die Jesuiten hatten etwas begriffen«, sagte Diotallevi,
»was weder die guten alten Templer von Provins noch die 567
Baconianer auch nur geahnt hatten, nämlich daß sich die gesuchte Karte auch auf kombinatorischem Wege rekonstruieren ließ, mit Verfahrensweisen ähnlich denen der modernen Elektronengehirne! Die Jesuiten sind die ersten, die Abulafia erfinden! Pater Kircher liest alle Traktate über die Ars combinatoria, angefangen mit dem von Lullus. Und seht mal, was er dann — hier, schaut euch das an in seiner Ars Magna Sciendi — publiziert.«
»Sieht aus wie ein Häkelmuster«, sagte Belbo.
»Von wegen. Das sind alle je irgend möglichen Kombinationen von x Elementen. Faktorenrechnung, genau wie im Sefer Jezirah. Die Berechnung der Kombinationen und Permutationen, die Essenz der Temurah!«
Jawohl, so muß es gewesen sein. Es war eine Sache, das vage Projekt von Fludd zu konzipieren, um die Karte ausgehend von einer Polarprojektion zu finden, und es war eine andere, zu wissen, wie viele Versuche dazu notwendig sein würden, und sie alle durchzuprobieren, um die beste Lö-
sung zu finden. Und es war vor allem eine Sache, das abstrakte Modell der möglichen Kombinationen zu entwerfen, und es war eine ganz andere, an eine Maschine zu denken, die fähig sein würde, das Modell zu konkretisieren. Und siehe da, sowohl Kircher wie sein Schüler Schott entwerfen mechanische Drehorgeln, Mechanismen mit Lochstreifen, Computer avant la lettre. Fundiert auf binärer Logik. Kabbala, angewandt auf die moderne Mechanik.
IBM: Iesus Babbage Mundi, Iesum Binarium Magnifi-camur. AMDG: Ad Maiorem Dei Gloriam? Von wegen: Ars Magna, Digitale Gaudium! IHS: Iesus Hardware & Software!
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Inmitten der dichtesten Finsternis hat sich eine Gesellschaft von neuen Wesen gebildet, die sich kennen, ohne sich je gesehen zu haben, sich verstehen, ohne sich je erklärt zu haben, sich dienen, ohne befreundet zu sein... Diese Gesellschaft...
übernimmt vom Jesuitenregime den blinden Ge-
horsam, von der Freimaurerei die Prüfungen und
die äußeren Zeremonien, von den Templern die
Evokationen der Untergründe und die unglaub-
liche Kühnheit... Hat der Graf von Saint-Germain je etwas anderes getan, als Guillaume Postel zu imitieren, der die Manie hatte, sich für älter aus-zugeben als er war?
Marquis de Luchet, Essai sur la secte des illuminés, Paris 1789, V und XII
Die Jesuiten hatten begriffen, was die beste Methode ist, um einen Gegner zu destabilisieren: Geheimsekten gründen, warten, daß die gefährlichen Enthusiasten hineinströmen, und sie dann alle verhaften. Anders gesagt: Wer eine Verschwörung fürchtet,
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