Das Foucaultsche Pendel
eine Alternative vor. Marx war Jude, vielleicht war er anfangs das Sprachrohr der Rabbiner von Gerona oder von Safed gewesen und hatte versucht, das ganze Volk Gottes in die Suche mit einzuschalten. Dann aber riß ihn der eigene Schwung mit, er identifizierte die Schechinah, das ins Reich exilierte Volk Gottes, mit dem Proletariat, er verriet die Erwartungen seiner Inspiratoren und drehte die Tenden-zen des jüdischen Messianismus um. Templer aller Länder, vereinigt euch! Die Karte der Welt den Arbeitern! Wunderbar! Wo gäbe es eine bessere historische Rechtfertigung für den Kommunismus?
»Gut«, sagte Belbo, »aber auch bei den Baconianern kommt es zu Zwischenfällen, meint ihr nicht? Einige von ihnen verlieren sich unterwegs in einen szientistischen Traum und landen in einer Sackgasse. Ich meine die Einsteins und die Fermis am Ende der Dynastie, die das Geheimnis im Innern des Mikrokosmos suchen und daher die falsche Entdeckung machen. Statt die tellurische Energie, die eine saubere, na-türliche, weisheitsmäßige Energie ist, entdecken sie die Atomenergie, die technologisch, schmutzig, vergiftet ist...«
»Raum-Zeit, Irrtum des Okzidents«, sagte Diotallevi.
»Verlust der Mitte. Serum und Penicillin als Karikatur des Lebenselixiers«, warf ich ein.
»Wie dieser andere Templer, Freud«, sagte Belbo. »Statt in den Labyrinthen des physischen Untergrundes zu graben, 562
gräbt er in denen des psychischen Untergrundes, als hätten darüber nicht schon die Alchimisten alles und besser gesagt...«
»Aber du bist es doch«, meinte Diotallevi, »der dauernd die Bücher von Doktor Wagner herausbringen will. Für mich ist die Psychoanalyse nur etwas für Neurotiker.«
»Ja, und der Penis ist nur ein Phallussymbol«, schloß ich.
»Lassen wir das, meine Herren, verlieren wir uns nicht in müßige Spielereien. Und verlieren wir keine Zeit. Wir wissen noch immer nicht, wohin wir die Paulizianer und die Jerusalemer tun sollen.«
Doch ehe wir uns dieser neuen Frage zuwenden konnten, stießen wir auf eine andere Gruppe. Eine, die nicht zu den sechsunddreißig Unsichtbaren gehörte, aber sich schon recht früh in das Spiel mit eingemischt und es teilweise aus dem Gleis gebracht hatte, indem sie als Störtrupp agierte. Die Jesuiten.
563
88
The Baron Hundt, Chevalier Ramsay... and nu-
merous others who founded the grades in these
rites, worked under instructions from the Gene-
ral of the Jesuits... Templarism is Jesuitism. *
Brief an Mme. Blavatsky von Charles Sotheran, 32 .-. A. and P. R., 94.-. Memphis, K. R ♣ , K. Kadosh, M. M. 104, Eng.
etc., Initiale of the modern English Brotherhood of the Rosie Cross and other secret societies, 11.1.1877; in Isis Unveiled, II, 1877, p. 390
Wir waren ihnen schon öfter begegnet, schon seit den Zeiten der allerersten rosenkreuzerischen Manifeste. Bereits 1620 war in Deutschland eine anonyme Schrift mit dem Titel Rosa Jesuitica erschienen, die daran erinnerte, daß die Symbolik der Rose katholisch und marianisch war, bevor sie rosenkreuzerisch wurde, und die behauptete, letzten Endes seien die beiden Orden — Jesuiten und Rosenkreuzer —
solidarisch, und die Rosenkreuzer seien nur eine der vielen Umformulierungen der jesuitischen Mystik zum Gebrauch des Volkes im reformierten Deutschland.
Ich erinnerte mich an Salons Worte über den Groll, mit dem Pater Athanasius Kircher die Rosenkreuzer attackiert hatte, und das ausgerechnet, während er über das Innere der Erdkugel sprach.
»Pater Kircher«, sagte ich, »spielt eine zentrale Rolle in dieser Geschichte. Warum hat dieser Mann, der so oft bewiesen hatte, daß er Sinn für Beobachtung und Lust am Experi-mentieren besaß, seine paar guten Ideen unter Tausenden von Seiten voll abenteuerlichster Hypothesen begraben? Er korrespondierte mit den besten englischen Wissenschaftlern, und dann greift er in jedem seiner Bücher die typischen Themen der Rosenkreuzer auf, scheinbar um sie zu widerlegen,
* Der Baron Hund, Chevalier Ramsay... und zahlreiche andere, welche die Grade in diesen Riten [der Schottischen Freimaurerei] begründeten, arbeiteten unter dem Kommando des Generals der Jesuiten... Templerismus ist Jesuitismus.
564
faktisch aber, um sie sich anzueignen und mit ihnen seine Version von Gegenreformation anzubieten. Im Anhang zur Erstausgabe der Fama Fraternitatis beteuerte jener Herr Haselmeyer, der wegen seiner reformatorischen Ideen ›von den Jesuittern ist auf eine Galeeren geschmiedet worden‹, wie es im
Weitere Kostenlose Bücher