Das Foucaultsche Pendel
Arrangement der Teile war schlechter als unseres gewesen, und außerdem war er nicht so gebildet wie wir, er hatte nicht alle Teile beisammen gehabt.
Sie hatten alle Teile beisammen, aber ihnen fehlte der Plan des Kreuzworträtsels, und so waren wir auch hier wieder die Besseren.
Mir fiel ein Satz von Lia ein, den sie mir in den Bergen gesagt hatte, als sie mir vorwarf, wir hätten ein häßliches Spiel gespielt: »Die Leute gieren nach Plänen, wenn du ihnen einen anbietest, stürzen sie sich drauf wie eine Meute von Wölfen. Du erfindest was, und sie glauben es. Man muß nicht noch mehr Phantasien wecken, als es schon gibt.«
Im Grunde läuft es immer so. Ein junger Herostrat verzehrt sich, weil er nicht weiß, wie er berühmt werden soll.
Dann sieht er einen Film, in dem ein schüchterner Junge auf die gefeierte Country-Music-Diva schießt und das Ereignis des Tages wird. Er hat die Formel gefunden, er geht hin und erschießt John Lennon.
Es ist das gleiche wie mit den AEKs. Wie mache ich’s, ein berühmter Dichter zu werden, der in die Lexika kommt?
Ganz einfach, erklärt Signor Garamond, bezahlen Sie dafür!
Der AEK hatte nie vorher daran gedacht, aber da es den Plan von Manuzio nun einmal gibt, identifiziert er sich damit.
Der AEK ist überzeugt, sein Leben lang auf Manuzio gewartet zu haben, nur wußte er nicht, daß es Manuzio gab.
Konsequenz? Wir hatten einen nicht-existenten Plan erfunden, und sie hatten ihn nicht nur für wahr und real gehalten, sondern sich auch eingeredet, selber schon lange Teil dieses Planes gewesen zu sein, beziehungsweise sie hatten die Fragmente ihrer krausen Vorstellungen und konfusen Projekte als Teile unseres Plans identifiziert, zusammenge-fügt nach einer unwiderleglichen Logik der Analogie, der Ähnlichkeit und des Verdachts.
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Aber wenn man einen Plan erfindet, und die anderen führen ihn aus, dann ist es, als ob der Plan existierte. Beziehungsweise dann existiert er wirklich.
Von nun an werden Scharen von Diabolikern durch die Welt ziehen, um die Karte zu finden.
Wir boten unsere Karte Leuten an, die gegen eine tiefe Frustration ankämpfen. Was für eine Frustration? Das hatte mir Belbos letzter file angedeutet: Es gäbe kein Scheitern, wenn da wirklich ein Großer Plan wäre. Niederlagen ja, aber nicht aus eigener Schuld. Einem kosmischen Komplott zu unterliegen ist keine Schande. Du bist kein Feigling, du bist ein Märtyrer.
Beklage dich nicht, daß du sterblich bist, eine Beute unzähliger Mikroorganismen, die du nicht beherrschst. Du bist nicht verantwortlich für deine schlecht greifenden Füße, für den Verlust des Schwanzes, für die Haare und Zähne, die dir nicht nachwachsen, für die Neuronen, die du rings um dich her verstreust, für die Arterien, die in dir verkalken. Verantwortlich sind die Neidischen Engel.
Dasselbe gilt für das Alltagsleben. Und für die Börsenkrä-
che. Sie kommen zustande, weil jeder eine falsche Bewegung macht, bis alle falschen Bewegungen zusammen eine Panik erzeugen. Dann fragt sich jeder, der keine starken Nerven hat: Wer steckt hinter diesem Komplott, und wem nützt es?
Und wehe, du findest dann keinen Feind, dem du das Komplott in die Schuhe schieben kannst, du würdest dich selber schuldig fühlen. Oder, da du dich selber ja schuldig fühlst, du erfindest einfach ein Komplott, oder besser noch viele.
Und um die Komplotte der andern zu durchkreuzen, mußt du dein eigenes organisieren.
Und je mehr du dir fremde Komplotte ausdenkst, um deine eigene Verständnislosigkeit zu rechtfertigen, desto mehr verliebst du dich in deine Phantasien und entwirfst dein eigenes Komplott nach ihrem Muster. Genau das war geschehen, als Jesuiten und Baconianer, Paulizianer und Neutempler einander jeder den Plan des andern zuschrieben und um die Ohren schlugen. Damals hatte Diotallevi bemerkt:
»Klar, du unterschiebst den anderen, was du selber tust, und da du etwas Häßliches tust, beginnst du die anderen zu has-sen. Aber da die anderen in der Regel genau das Häßliche, das du gerade tust, gerne täten, kollaborieren sie mit dir, 737
indem sie dich glauben machen, was du ihnen unterschiebst, sei in Wirklichkeit das, was sie sich schon immer gewünscht hatten. Gott blendet, wen er verderben will, man muß Ihm nur dabei helfen.«
Ein Komplott muß, wenn es denn eines sein soll, geheim sein. Es muß ein Geheimnis geben, dessen Kenntnis, hätten wir sie, uns entfrustrieren würde, denn entweder wäre es das Geheimnis, das uns zum
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