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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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ob er mich auf frischer Tat ertappt hätte, und in gewisser Hinsicht stimmte das ja auch, und im Café fragt er mich, wieso ich bei der Veranstaltung gewesen sei und was ich von dem Mädchen gewollt hätte. Ich werde sauer und antworte ihm, wir lebten ja wohl noch in einer Demokratie, ich könnte ansprechen, wen ich wollte. Er entschuldigt sich und erklärt mir: Die Ermittlun-gen über Ardenti seien nur langsam vorangekommen, aber sie hätten zu rekonstruieren versucht, wie er die beiden Tage in Mailand verbracht hatte, ehe er zu den Treffen mit Garamond und mit dem mysteriösen Rakosky gegangen war. Ein ganzes Jahr später sei dann durch puren Zufall herausgekommen, daß jemand den Ardenti gesehen hatte, wie er aus dem Büro von Picatrix kam, zusammen mit dem Medium.
    Das Mädchen interessiere ihn übrigens auch, weil es mit einem Typ zusammenlebe, der den Kollegen vom Rauschgiftdezernat nicht ganz unbekannt sei.
    Ich sage ihm, daß ich durch puren Zufall dagewesen sei und daß es mich überrascht habe, von dem Mädchen einen Satz über sechs Siegel zu hören, den ich bereits von dem Oberst gehört hätte. Er weist mich darauf hin, daß es merk-würdig sei, wie gut ich mich nach zwei Jahren noch erinnern könne, was der Oberst damals gesagt habe, wo ich doch am Tag danach bloß auf ein vages Gerede über einen Schatz der Templer angespielt hätte. Ich sage ihm, der Oberst hätte eben von einem Schatz gesprochen, der von sechs Siegeln ge-200
    schützt würde, aber das sei mir damals nicht weiter wichtig erschienen, da alle Schätze von sieben Siegeln und goldenen Skarabäen geschätzt würden. Woraufhin er bemerkt, dann sehe er nicht recht, wieso ich von den Worten des Mädchens so überrascht gewesen sei, wenn doch alle Schätze von goldenen Skarabäen geschützt würden. Ich fordere ihn auf, mich gefälligst nicht wie einen Verdächtigen zu behandeln, er wechselt den Ton und lacht. Sagt dann, er finde es nicht weiter seltsam, daß das Mädchen gesagt habe, was es gesagt hatte, denn irgendwie müsse ihr der Ardenti von seinen Phantasien erzählt haben, womöglich um sie als Medium für irgendwelche astralen Kontakte zu benutzen, wie man in jenen Kreisen sage. Dieses Mädchen, erklärt er mir, sei wie ein Schwamm, eine photographische Platte, die Ärmste müs-se ein Unbewußtes haben, das einem Jahrmarkt gleiche, vermutlich unterzögen die Typen von Picatrix sie das ganze Jahr lang einer Gehirnwäsche, es sei nicht unwahrscheinlich, daß ihr in Trance — denn sie falle wirklich in Trance, sie fingiere nicht bloß, und sie sei nicht ganz richtig im Kopf —
    Bilder gekommen seien, die sie vor langer Zeit gesehen habe.
    Aber zwei Tage später erscheint De Angelis dann bei mir im Büro und sagt, wie sonderbar, einen Tag nach der Zeremonie sei er das Mädchen suchen gegangen, und da sei es nicht dagewesen. Er habe die Nachbarn gefragt, keiner habe sie gesehen, mehr oder weniger schon seit dem Nachmittag vor dem fatalen Ritus. Er habe Verdacht geschöpft, sei in ihre Wohnung eingedrungen und da sei alles drunter und drüber gewesen, Bettlaken auf dem Boden, Kopfkissen in einer Ecke, Zeitungen durcheinander, Schubladen leer. Sie selber verschwunden, samt ihrem Druden oder Liebhaber oder Mitbewohner oder wie das heiße.
    Er sah mich an und sagte, wenn ich noch etwas wüßte, sei es besser, ich würde jetzt reden, denn er finde es seltsam, daß dieses Mädchen auf einmal verschwunden sei, und er könne dafür nur zwei Gründe sehen: Entweder habe jemand bemerkt, daß er, De Angelis, die Kleine ins Auge gefaßt hatte, oder sie hätten beobachtet, wie ein gewisser Jacopo Belbo mit ihr zu sprechen versuchte. Und folglich müßten die Sachen, die sie in Trance gesagt hatte, doch etwas Ernsteres betreffen, und nicht einmal sie, wer immer sie sein mochten, 201
    hätten anscheinend geahnt, daß die Kleine so viel wußte.
    »Und nehmen Sie an, einer meiner Kollegen setzt sich in den Kopf, Sie könnten das Mädchen umgebracht haben, Herr Doktor Belbo«, fügte der Kommissar mit schönem Lächeln hinzu, »dann sehen Sie, daß es besser ist, wenn wir zusam-menarbeiten.« Ich war drauf und dran, die Geduld zu verlieren, Gott weiß, daß mir das nicht oft passiert, ich fragte, wieso zum Teufel jemand, der nicht zu Hause angetroffen wird, gleich ermordet worden sein müsse, und er fragt zu-rück, ob ich mich an die Sache mit dem Oberst erinnerte. Ich sagte, auf jeden Fall, wenn das Mädchen umgebracht oder entführt worden sei, müsse

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