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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Cagliostro (von wem sonst, würden Sie meinen?), eine vergoldete Mumie in Cheops-Format, zwei fünfarmige Kandelaber, ein Gong, getragen von zwei aufgerichteten Schlangen, ein Lesepult auf einem Sockel, verkleidet mit hieroglyphenbedrucktem Baumwollstoff, zwei Kronen, zwei Dreifüße, ein kleiner Rei-sesarg, ein Thron, ein falscher Barocksessel, vier nichtzu-sammenpassende Stühle Typ Festgelage beim Sheriff von Nottingham, Kerzen, Grablichter, Leuchter, kurz: ein mächtig spirituelles Gepränge.
    Es erscheinen sieben Zwergenpriester in Zwergensouta-nen mit Zwergenlichtern und dann der Zeremonienmeister, der scheint’s der Direktor von Picatrix ist — aber bloß Brambilla heißt, die Götter mögen’s ihm verzeihen —, angetan mit rosaroten und olivbraunen Paramenten, sodann das Medium, ein blasses dünnes Mädchen, und schließlich sechs weißgekleidete Akolythen, die aussehen wie sechs Doppelgänger von Ninetto Davoli, aber mit Stirnbinde, so einer priesterlichen infula Dei, wenn Sie sich an unsere Dichter erinnern.
    Der Brambilla stülpt sich eine Tiara mit Halbmond auf den Kopf, zückt ein rituelles Schwert, zeichnet damit magische Figuren auf den Bühnenboden und ruft beschwörend ein paar Engelsnamen mit »el« am Ende — und dabei kommen 198
    mir vage die pseudosemitischen Teufeleien der Botschaft Ingolfs in den Sinn, aber nur für einen Augenblick, dann verliere ich mich in andere Gefilde. Auch weil an diesem Punkt etwas Singuläres passiert, die Bühnenmikrophone sind mit einem Receiver verbunden, der irgendwelche im Raum her-umschweifende Wellen auffangen soll, aber der stirnband-bewehrte Tontechniker muß etwas falsch gemacht haben, denn erst hört man Disco-Musik, und dann ertönt plötzlich die Stimme von Radio Moskau. Der Brambilla öffnet den Sarg, entnimmt ihm ein Zauberbuch, einen Säbel und ein Räucherfäßchen und schreit: O Herr, dein Reich komme! —
    und es scheint, als hätte er tatsächlich was erreicht, denn Radio Moskau verstummt, aber im magischsten Augenblick fängt es wieder an mit einem besoffenen Kosakenchor, so einem von der Sorte, wo sie mit dem Hintern am Boden tanzen. Brambilla ruft die Clavicula Salomonis an, verbrennt auf dem Dreifuß ein Pergament, daß es fast eine Feuers-brunst gibt, beschwört ein paar Götter des Karnaktempels, ihn auf den kubischen Stein von Hesod zu versetzen, und ruft dann beharrlich nach einem gewissen »Familiare 39«, der dem Publikum höchst familiär sein muß, denn ein Raunen geht durch den Saal. Eine Zuschauerin fällt in Trance, die Augen nach oben verdreht, so daß man nur noch das Weiße sieht, die Leute schreien: ein Arzt, ein Arzt! — und an diesem Punkt ruft der Brambilla die Macht der Drudenfüße herbei, und das Medium, das sich unterdessen auf dem falschen Barocksessel niedergelassen hat, fängt an zu seufzen und sich zu winden, und der Brambilla beugt sich über sie und befragt sie dringlich, beziehungsweise befragt den Familiare 39, der, wie mir in diesem Augenblick dämmert, niemand anders ist als Cagliostro höchstselbst in eigener Person.
    Und hier beginnt der beunruhigende Teil, denn das Medium scheint wirklich Qualen zu leiden, es schwitzt, es zittert und stöhnt, es stammelt zusammenhanglose Satzfetzen, spricht von einem Tempel, einem zu öffnenden Tor, sagt, daß sich ein Kraftstrudel bilde, daß man zur Großen Pyramide hinaufsteigen müsse, der Brambilla rennt auf der Bühne umher, schlägt den Gong und ruft mit röhrender Stimme nach Isis, ich genieße das Schauspiel, da höre ich plötzlich, wie das Mädchen zwischen zwei Seufzern etwas von sechs 199
    Siegeln stammelt, von hundertzwanzig Jahren Wartezeit und von sechsunddreißig Unsichtbaren. Kein Zweifel, sie spricht von der Geheimbotschaft aus Provins. Während ich noch warte, daß sie mehr sagt, verstummt die Ärmste total erschöpft, der Brambilla streicht ihr über die Stirn, segnet die Anwesenden mit dem Räucherfäßchen und erklärt die Zeremonie für beendet.
    Ich war halb beeindruckt, halb bemüht zu kapieren, und so versuche ich mich dem Mädchen zu nähern, das sich inzwischen wieder erholt hat, in einen ziemlich schmuddligen Mantel geschlüpft ist und zur Hintertür hinausstrebt. Gerade will ich sie an der Schulter berühren, da faßt mich jemand am Arm. Ich drehe mich um, und es ist der Kommissar De Angelis, der mir sagt, ich solle sie laufen lassen, er wisse, wo sie zu finden sei. Er lädt mich ein, mit ihm einen Kaffee trinken zu gehen. Ich folge ihm, als

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