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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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nach... Bis es zu einem weiteren Kurzschluss kommt, oder auch zu keinem mehr, und dann gute Nacht.«
    »Und was haben Sie kürzlich entdeckt, das so einen Kurzschluss bei Ihnen ausgelöst hat?«
    »Eine indiskrete Frage, meinen Sie nicht? Aber da gibt's keine Geheimnisse, glauben Sie mir. Der Oberst ist mir ganz zufällig wieder eingefallen. Wir haben einen Typ überwacht, aus ganz anderen Gründen, und fanden heraus, daß er den Club Picatrix frequentierte, Sie werden davon gehört haben...«
    »Nein, ich kenne bloß die Zeitschrift, nicht den Verein. Was geht denn da vor?«
    »Och nichts, gar nichts, das sind ruhige Leutchen, vielleicht ein bisschen exaltiert. Aber mir ist eingefallen, daß auch der Ardenti da verkehrte — die ganze Geschicklichkeit des Polizisten besteht darin, sich zu erinnern, wo er einen Namen schon mal gehört, ein Gesicht schon mal gesehen hat, auch noch nach zehn Jahren. Und da habe ich mich gefragt, was wohl bei Garamond vorgeht. Das ist alles.«
    »Und was hat der Club Picatrix mit der Politischen Polizei zu tun?«
    »Es mag ja die Impertinenz des reinen Gewissens sein, aber Sie kommen mir unheimlich neugierig vor.«
    »Sie waren es, der mich zu einem Kaffee eingeladen hat.«
    »Stimmt, und wir sind beide nicht im Dienst. Sehen Sie, aus einem bestimmten Blickwinkel betrachtet hat in dieser Welt alles mit allem zu tun.« Ein schönes hermetisches Philosophem, dachte ich. Aber er fügte sofort hinzu: »Womit ich nicht sagen will, diese Leute hätten mit der Politischen Polizei zu tun, aber wissen Sie... Früher suchten wir die Roten Brigaden in den besetzten Häusern und die Schwarzen Brigaden in den diversen Kampfsportvereinen, heute könnte es genau umgekehrt sein. Wir leben in einer bizarren Welt. Ich versichere Ihnen, mein Beruf war vor zehn Jahren leichter. Heute gibt's auch bei den Ideologen keine Religion mehr. Manchmal habe ich Lust, ins Rauschgiftdezernat überzuwechseln. Ein Dealer ist wenigstens noch ein Dealer, da gibt's nichts zu diskutieren. Da hat man's mit sicheren Werten zu tun.«
    Er schwieg ein Weilchen, unsicher, glaube ich. Dann zog er ein Notizbuch aus der Tasche, das wie ein Messbuch aussah. »Hören Sie, Casaubon, Sie frequentieren beruflich seltsame Leute, Sie gehen in Bibliotheken, um sich noch seltsamere Bücher auszuleihen. Helfen Sie mir. Was wissen Sie über die Synarchie?«
    »Da muß ich leider passen. So gut wie nichts. Ich hab davon reden hören, im Zusammenhang mit Saint-Yves. Das ist alles.«
    »Und was redet man so darüber?«
    »Wenn man was darüber redet, dann ohne mein Wissen. Offen gesagt, mir stinkt die Sache nach Faschismus.«
    »In der Tat, viele dieser Thesen wurden seinerzeit von der Action Française aufgegriffen. Und wenn's dabei geblieben wäre, sähe ich ja noch klar: Wenn ich eine Gruppe finde, die von Synarchie redet, kann ich sie einordnen. Aber ich bin dabei, mich über das Thema zu informieren, und erfahre, daß um 1929 eine gewisse Vivian Postel du Mas und eine Jeanne Canudo die Gruppe Polaris gegründet haben, die sich am Mythos eines Königs der Welt inspirierte, und dann propagierten sie ein synarchisches Projekt: sozialer Dienst gegen kapitalistischen Profit, Beseitigung des Klassenkampfs durch genossenschaftliche Bewegungen... Scheint eine Art Sozialismus fabianischer Prägung gewesen zu sein, eine personalistische und kommunitäre Bewegung. Tatsächlich wurden sowohl Polaris wie auch die irischen Fabianer beschuldigt, Emissäre eines synarchischen Komplotts unter jüdischer Leitung zu sein. Und wer hat sie dessen beschuldigt? Eine Revue internationale des sociétés secrètes, die von einer jüdisch-freimaurerisch-bolschewistischen Verschwörung faselte. Viele ihrer Mitarbeiter gehörten zu einer noch geheimeren rechten Integralistenvereinigung, der Sapinière. Und sie behaupteten, alle revolutionären politischen Organisationen seien nur die Fassade eines teuflischen Komplotts, das von einem okkultistischen Geheimbund gesteuert werde. Nun werden Sie sagen, okay, wir haben uns geirrt, Saint- Yves hat am Ende linksreformistische Gruppen inspiriert, die Rechte macht aus jeder Mücke einen Elefanten und sieht überall Ableger einer Demo-Pluto-Sozial-Judäokratie. Auch Mussolini hat es so gemacht. Aber wieso wird dann diesen Gruppen vorgeworfen, sie würden von okkultistischen Zirkeln beherrscht? Nach dem bisschen, was ich davon weiß — gehen Sie nur mal hin und schauen Sie sich Picatrix an —, sind das Leute, die mit der

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