Ein Grabstein fuer den Playboy
1
Sie war zauberhaft. Großartig.
Ein Kunstwerk. Die reinste Verwirklichung des Wunschtraums eines jeden
Privatdetektivs: eine Klientin, die die Treppen heraufkommt in sein Büro,
sich im Klientensessel niederläßt und an der Handtasche
herumfummelt.
Zuerst sagte sie nichts und
schaute sich um, blickte auf die nackten Wände, den Schreibtisch und
die Pappkartons. Ich hätte ihr stundenlang Zusehen können und
konnte kaum glauben, daß sie wirklich bei mir war, diese Inkarnation
einer Klientin. Als sie gerade wegschaute, biß ich mir in den Arm,
um sicherzugehen, daß ich nicht träumte.
Vielleicht war ich auch nur
hungrig; so genau kann ich das nicht mehr sagen.
Dann, endlich, begann die
reizende Vision zu sprechen. Und auch die Stimme war zauberhaft,
melodisch, mit Untertönen, die mich in eine andere, bessere Welt
trugen, in andere, bessere Zeiten.
Die Worte, die sie sagte,
gefielen mir allerdings nicht ganz so gut.
»Ich hab’ schon
gedacht, hier wohnt keiner mehr. Und wenn ich mich so umschaue - du liebe
Zeit, ich bin mir noch immer nicht ganz sicher, ob hier noch jemand wohnt.«
»Nur ein bißchen
Frühjahrsputz.«
»Jetzt, im Juni?«
»Warum nicht? Es ist
immer noch Frühling.«
»Schon möglich«,
sagte sie. »Trotzdem.«
»Ich hatte bisher noch
keine Gelegenheit dazu«, erklärte ich. »Sie wissen schon,
ein Fall nach dem anderen.«
»Eigentlich sieht es
eher so aus, als ob Sie ausziehen.«
»Ich hab’ nur
aufgeräumt, weil ich streichen möchte.«
»Aha«, sagte sie,
ohne weiter darauf einzugehen, aber auch ohne Überzeugung.
Ich staubte mein bestes väterliches
Detektivlächeln ab und legte es auf. Dann faltete ich die Hände
auf der Schreibtischplatte und beugte mich vor. Aber ehe ich die
»Beziehung« zu ihr »hersteilen« konnte, wie es im
Handbuch für Privatdetektive beschrieben wird, »in einer
freundlichen, aber bestimmten Weise«, fragte sie schon: »Und
Sie verdienen sich tatsächlich Geld damit?«
Eine gehörig
impertinente Frage. Wenn ich sie so weitermachen ließ, würde
ich demnächst an Depressionen leiden.
»Natürlich nicht,
wenn Leute hierherkommen, die nur herummeckern, statt interessante Fragen
zu stellen, zum Beispiel, ob ich ihren Auftrag übernehmen kann und
was mein per diem ist.«
»Ihr per diem? Was ist
denn Ihr per diem?«
So war es besser. »Fünfundachtzig
Dollar pro Tag.«
»Ach, ich verstehe. Ihr
Tageshonorar. Sie machen also tatsächlich Geschäfte hier?«
»Mach’ ich«,
lautete meine Antwort, und mein Kopf bereitete das Herz auf einige Enttäuschungen
vor.
»Und Sie sind der auf
dem Schild draußen?«
»Albert Samson, zu
Diensten.« Die letzte Geste des Herzens; ich setzte mich gerade hin.
»Ich bin nicht wegen
einer Sache gekommen, die einen Detektiv interessiert«, sagte sie.
Aber meine Bemerkung schien sie zu beschäftigen. »Ist das bei
normalen Leuten nicht immer so?«
»Meistens; die anderen
werden leider immer weniger.«
»Mit anderen Worten:
Das Geschäft geht nicht gut, wie?«
Ich mußte mich durch
meinen Tonfall verraten haben. Aber ich habe auch meinen Stolz. Ȇber
das Geschäft kann ich nicht klagen«, sagte ich. »Zur Zeit
spezialisiere ich mich mehr auf Multinationales. Was kann ich für Sie
tun?«
»Ich sammle«,
sagte sie.
»Bedauerlicherweise
habe ich meine alten Anzüge bereits der Wohlfahrt geschenkt.«
»Ach - ich meinte auch
keine Anzüge. Ich sammle Geld.«
Jetzt starrte ich sie wortlos
an.
»Wir wollen eine
Spielschule gründen, für die Kinder in unserer Nachbarschaft.
Wenn wir die Lebensbedingungen in der Stadt verbessern wollen, müssen
wir bei den Menschen beginnen, die noch hier leben. Und die Kinder sollen
schon vor ihrer Schulzeit eine Chance geboten bekommen, Sie verstehen. Ein
paar vorläufige Räume haben wir schon dafür gefunden, in
einem leerstehenden Gebäude an der
Ecke. Es wird demnächst abgerissen, aber wir können es noch den
Sommer über benützen …« Sie verstummte.
Ich fühlte, wie ihr klar
wurde, daß auch dieses Haus, in dem wir uns befanden, in Kürze
abgerissen werden sollte.
Jetzt sagte ich: »Was
große Gesten betrifft, bin ich immer gut gewesen. Sehen Sie, deshalb
streiche ich hier noch, bevor ich am nächsten Montag ausziehe.«
Immerhin war es bereits Donnerstag, den 12. Juni.
»Und - haben Sie schon
eine neue Unterkunft für Ihr - Büro
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