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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Informiertheit! Er hat köstliche Anekdoten erzählt über Leute von vor hundert Jahren, ich schwöre es Ihnen, als hätte er sie persönlich gekannt! Und wissen Sie, was für eine glänzende Idee er mir auf dem Heimweg gesteckt hat? Er hatte meine Gäste auf den ersten Blick durchschaut und kannte sie inzwischen besser als ich. Er meinte, wir sollten nicht warten, daß die Autoren der Entschleierten Isis von alleine kämen. Das sei Zeitvergeudung, erst das Palaver, dann die Lektüre der Manuskripte, und dann weiß man nicht, ob sie bereit sind, zu den Unkosten beizutragen. Statt dessen hätten wir eine Goldmine zum Ausbeuten: die Kartei aller Manuzio- Autoren der letzten zwanzig Jahre! Verstehen Sie? Man schreibt einfach an diese unsere ruhmreichen alten Autoren, oder jedenfalls an diejenigen, die auch die Restbestände aufgekauft haben: Lieber Herr, wissen Sie, daß wir eine neue Buchreihe begonnen haben, die sich der traditionellen Weisheit von höchster Spiritualität widmen soll? Müsste es einen Autor von Ihrer Subtilität nicht reizen, in diese Terra incognita einzudringen undsoweiterundsofort... Ein Genie, sage ich Ihnen! Ich glaube, er möchte uns alle am Sonntagabend bei sich haben. Er will uns in ein Schloss führen, in eine Burg, ich sage noch mehr, eine prächtige Villa in den Turiner Hügeln. Scheint, daß da außergewöhnliche Dinge stattfinden werden, ein Ritus, eine Zeremonie, ein Hexensabbat, wo jemand Gold oder Quecksilber oder so etwas fabrizieren wird. Das ist eine ganz neu zu entdeckende Welt, Casaubon, auch wenn ich, Sie wissen es, die größte Achtung vor jener Wissenschaft hege, der Sie sich mit solcher Passion verschrieben haben, ja, ja, ich bin sehr zufrieden mit Ihrer Arbeit — ich weiß, die kleine finanzielle Zulage, auf die Sie mich angesprochen hatten, ich hab's nicht vergessen, wir werden zu gegebener Zeit noch darüber sprechen. Agliè hat mir gesagt, daß auch diese junge Dame dort sein wird, diese schöne Dame — nun, vielleicht ist sie nicht gerade bildschön, aber rassig, sie hat etwas im Blick — ich meine, diese Freundin von Belbo, wie heißt sie doch gleich... «
    »Lorenza Pellegrini.«
    »Richtig. Ist da was zwischen ihr und unserem Belbo, eh?«
    »Ich glaube, sie sind gute Freunde.«
    »Ah! So antwortet ein Gentleman. Bravo, Casaubon. Aber es war nicht aus Neugier, es ist vielmehr, weil ich mich für Sie alle hier wie ein Vater fühle und... nun ja, lassen wir das, à la guerre comme à la guerre… Adieu, mein Lieber.«
    Wir hatten tatsächlich ein Rendezvous mit Agliè im Turiner Hügelland, bestätigte mir Belbo. Ein doppeltes Rendezvous. Erst am Sonntagabend ein Fest im Schloss eines sehr wohlhabenden Rosenkreuzers, danach würde Agliè uns zu einem Ort ein paar Kilometer weiter führen, woselbst, natürlich um Mitternacht, ein druidischer Ritus stattfinden sollte, über den er sich nur sehr vage geäußert hatte.
    »Aber ich dachte mir«, fügte Belbo hinzu, »wir müssten ohnehin letzte Hand an die Geschichte der Metalle legen, und hier sind wir immer zu sehr gestört. Wie wär's, warum fahren wir nicht schon am Samstag los und verbringen das Wochenende in meinem alten Haus in ***? Es ist ein schöner Ort, Sie werden sehen, die Hügel lohnen sich. Diotallevi ist einverstanden, und vielleicht kommt auch Lorenza mit. Natürlich... bringen Sie mit, wen Sie wollen.«
    Er kannte Lia nicht, aber er wusste, daß ich eine Freundin hatte. Ich sagte, ich würde alleine kommen. Seit zwei Tagen hatte ich Streit mit Lia. Es war bloß eine Dummheit gewesen, und nach einer Woche war dann auch tatsächlich alles wieder im Lot, aber ich verspürte das Bedürfnis, mich für zwei Tage aus Mailand zu entfernen.
    So fuhren wir nach ***, das Trio von Garamond und Lorenza Pellegrini. Bei der Abfahrt hatte es einen Moment der Spannung gegeben. Lorenza war pünktlich zum Treffpunkt gekommen, aber als sie gerade einsteigen wollte, hatte sie plötzlich gesagt: »Vielleicht bleib ich doch lieber hier, dann könnt ihr in Ruhe arbeiten. Ich komm dann mit Simon nach.«
    Belbo, der am Steuer saß, hatte die Arme ausgestreckt und starr vor sich hinblickend leise gesagt: »Steig ein.« Lorenza war eingestiegen, vorn neben ihm, und hatte während der ganzen Fahrt die Hand in Belbos Nacken gehalten, der schweigend fuhr.
    *** sei noch immer der kleine Marktflecken, den er während des Krieges gekannt habe, erklärte uns Belbo, als wir näher kamen. Wenige Neubauten, die Landwirtschaft im Niedergang,

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