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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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das Unsagbare glauben. Wäre das nicht die wahre Lektüre der Torah? Die Wahrheit ist das Anagramm eines Anagramms. Anagrams = ars magna.
     
    So muß es gewesen sein in diesen Tagen. Belbo beschloss, das Universum der Diaboliker ernst zu nehmen, aber nicht aus Übermaß, sondern aus Mangel an Glauben.
    Gedemütigt von seiner Unfähigkeit zur Kreation (und sein ganzes Leben lang hatte er die frustrierten Wünsche und die nie geschriebenen Bücher als Metaphern füreinander benutzt, immer im Zeichen seiner vermeintlichen Feigheit), wurde ihm jetzt auf einmal bewusst, dass er, indem er den Großen Plan erfand, tatsächlich etwas erschaffen hatte. Er war dabei, sich in seinen Golem zu verlieben, und fand darin einen Trost. Das Leben — sein Leben und das der Menschheit — als Kunst, und in Ermangelung von Kunst die Kunst als Lüge. Le monde est fait pour aboutir à un livre (faux). (Die Welt ist gemacht, um in ein Buch zu münden (ein falsches). (Mallarmé)) Aber an diese Lüge, an dieses falsche Buch versuchte er nun zu glauben, denn, wie er geschrieben hatte, wenn es eine Verschwörung gäbe, wäre er nicht mehr feige, besiegt und verächtlich.
    So erklärt sich, was dann geschah. Er benutzte den Plan, dessen Irrealität ihm bewusst war, um einen Rivalen zu schlagen, den er für real hielt. Und als er dann merkte, dass der Plan ihn erfasste und nicht mehr losließ, als ob er tatsächlich existierte, oder als ob Belbo aus demselben Stoff gemacht wäre wie sein Plan, da fuhr er nach Paris wie zu einer Enthüllung, einer Revanche.
    Jahrelang bedrückt von seinem täglichen Selbstvorwurf, immer nur mit den eigenen Gespenstern Umgang gepflogen zu haben, erleichterte ihn nun der Anblick von Gespenstern, die objektiv zu werden drohten, bekannt auch einem anderen, und sei es dem Feind. Stürzte er sich in den Rachen des Löwen? Sicher, denn der Löwe, der da Gestalt annahm, war realer als Surabaya-Jim, realer vielleicht als Cecilia, vielleicht sogar als Lorenza Pellegrini.
    Belbo, krank von so vielen verpassten Treffen, fühlte sich jetzt zu einem realen Treffen gerufen. Zu einem, vor dem er nicht einmal mehr aus Feigheit weglaufen konnte, denn er stand bereits mit dem Rücken zur Wand. Seine Angst zwang ihn, mutig zu sein. Erfindend hatte er das Realitätsprinzip geschaffen.

106
    Die Liste Nr. 5 — sechs Unterhemden, sechs Unterhosen, sechs Taschentücher — hat den Forschern seit je zu denken gegeben, besonders wegen des völligen Fehlens von Socken.
    Woody Allen, Getting even, New York, Random House, 1966, »The Metterling List«
     
    Zu der Zeit, es ist gerade erst einen Monat her, beschloss Lia, dass mir ein paar Wochen Urlaub guttun würden. Du siehst müde aus, sagte sie. Vielleicht hatte der Große Plan mich erschöpft. Außerdem brauchte das Kind, wie die Großeltern sagten, gute Luft. Freunde hatten uns ein kleines Haus in den Bergen überlassen.
    Wir fuhren nicht sofort los. Es gab noch ein paar Dinge in Mailand zu erledigen, und dann meinte Lia, es gebe nichts Erholsameres als einen Urlaub in der Stadt, wenn man weiß, dass man hinterher wegfahren wird.
    In den Tagen habe ich Lia zum ersten Mal von dem Großen Plan erzählt. Vorher war sie zu sehr mit dem Kind beschäftigt gewesen; sie wusste nur vage, dass ich mit Belbo und Diotallevi an einer Art Puzzle saß, das uns ganze Tage und Nächte lang in Beschlag nahm, aber ich hatte ihr nichts mehr gesagt, seit sie mir damals ihre Predigt über die Psychose der Analogien gehalten hatte. Vielleicht schämte ich mich.
    Jetzt aber, wo er fertig war, erzählte ich ihr den ganzen Plan bis in alle Einzelheiten. Sie wusste von Diotallevis Erkrankung, und ich fühlte mich irgendwie schuldig, als ob ich etwas getan hätte, was ich nicht durfte, und daher versuchte ich, das Ganze als das hinzustellen, was es war: nur ein bravouröses Spiel.
    Und Lia sagte: »Pim, deine Geschichte gefällt mir nicht.«
    »Ist sie nicht schön?«
    »Auch die Sirenen waren schön. Hör zu: was weißt du über dein Unbewusstes?«
    »Nichts, ich weiß nicht mal, ob es existiert.«
    »Siehst du. Nun stell dir vor, so ein Wiener Spaßvogel hat sich, um seine Freunde zu unterhalten, aus Jux und Dollerei die ganze Geschichte mit dem Es und dem Ich und dem Über-Ich ausgedacht, und das mit dem Ödipus, und Träume, die er nie geträumt hat, und den kleinen Hans, den er nie gesehen hat... Na, und was ist dann passiert? Millionen von Menschen waren bereit, im Ernst neurotisch zu werden. Und Tausende

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