Das Foucaultsche Pendel
hatten eine weiße Rose im Wappen.«
»Und woher weißt du das?«
»Aus einem Büchlein von knapp zweihundert Seiten, herausgegeben vom Bureau de Tourisme de la Ville de Provins, das ich hier im französischen Kulturinstitut gefunden habe. Aber das ist noch nicht alles. In Provins gibt es eine Burg, die Le Donjon genannt wird, es gibt eine Porte-aux-Pains, also ein »Tor zu den Broten«, es gab eine Eglise du Refuge, es gab selbstverständlich mehrere Kirchen Unserer Lieben Frau, hüben und drüben, es gab oder gibt immer noch eine Rue de la Pierre Ronde, wo ein pierre de cens war, ein »Zinsstein«, auf den die Untertanen des Grafen das Geld für den Zehnten zu legen hatten. Und es gab schließlich auch eine Rue des Blancs Manteaux und eine Straße, die Rue de la Grande Putte Muce genannt wurde, aus Gründen, die ich dich raten lasse, beziehungsweise weil sie die Bordellstraße war.«
»Und die Popelicans?«
»In Provins hatte es Katharer gegeben, die dann ordnungsgemäß verbrannt worden sind, und der Großinquisitor war ein reuiger Ketzer und wurde Robert le Bougre genannt. Also war's nichts Besonderes, wenn es da auch eine Straße oder eine Gegend gab, die weiterhin als Sitz der Ketzer bezeichnet wurde, auch als es die Katharer nicht mehr gab.«
»Auch noch 1344...«
»Wer sagt dir denn, dass dieses Dokument von 1344 stammt? Dein Oberst hat hier 36 Jahre nach dem Heuwagen gelesen, und tatsächlich war damals ein p, das in einer bestimmten Weise gemacht war, mit einer Art Apostroph, die normale Abkürzung für post, aber ein anderes p ohne Apostroph bedeutete pro. Der Verfasser dieses Textes ist ein friedlicher Händler, der sich ein paar Notizen gemacht hat über seine Geschäfte in der Grange-aux-Dimes, also in der Rue Saint-Jean, nicht in der Johannisnacht, und er hat sich einen Preis notiert: sechsunddreißig Sous oder Deniers oder was für Münzen die damals hatten, für eine oder für jede Fuhre Heu.«
»Und die hundertzwanzig Jahre?«
»Wer spricht von Jahren? Ingolf hat etwas gesehen, das er als 120 a... abgeschrieben hat. Wer sagt dir, dass es ein a war? Ich habe nachgeschaut in einer Tabelle der damals üblichen Abkürzungen und hab gefunden, dass man für denier oder denarius seltsame Zeichen benutzte — eins, das wie ein Delta aussieht, und ein anderes wie ein Theta, eine Art links angeknabberter Kreis. Kritzel das eilig hin, als kleiner Händler, der sich Notizen macht, und schon kann es so ein Eiferer wie dein Oberst mit einem a verwechseln, weil er die Sache mit den 120 Jahren schon irgendwo gelesen hat, du weißt besser als ich, dass er sie in jeder beliebigen Rosenkreuzergeschichte lesen konnte, er wollte etwas finden, das so ähnlich klang wie post 120 annos patebo! Und was macht er dann? Er findet eine Reihe von it und liest sie als iterum. Aber iterum wurde mit itm abgekürzt, und it bedeutete item, desgleichen, ebenso, ein Ausdruck, der speziell für repetitive Listen benutzt wurde. Unser Händler kalkuliert, was ihm bestimmte Aufträge einbringen werden, die er bekommen hat, und listet auf, was er wohin liefern muß. Er muß Rosen liefern, Kreuzritter-Rosen von Provins, das ist es, was r... s... Chevaliers de Pruins heißt. Und da, wo der Oberst vainjance gelesen hat (weil ihm der Ritter Kadosch im Kopf herumspukte), muß man jonchée lesen, Blumenschmuck. Die Rosen wurden benutzt, um Kränze oder Teppiche daraus zu flechten, für die verschiedenen Feste. Und so ist deine Botschaft aus Provins nun zu lesen:
In der Rue Saint-Jean
36 pro Karren Heu.
6 neue Tücher mit Siegel
in die Straße der Weißen Mäntel.
Kreuzritter-Rosen von Provins für den Blumenschmuck:
6 Sträuße zu 6 an 6 Orte:
jeder zu 20 Denier, macht 120 Denier.
Dies ist die Reihenfolge:
die ersten zur Burg
item die zweiten zu denen an der Porte-aux-Pains
item zur Kirche des Refugiums
item zur Kirche Notre-Dame jenseits des Flusses
item zum alten Haus der Ketzer
item zur Straße des Runden Steins
Und 3 Sträuße zu 6 vor dem Fest in die Straße der Huren
denn auch diese Armen wollten sich zum Fest gern ein schönes Rosenhütchen machen.«
»Mein Gott«, sagte ich, »mir scheint, du hast recht.«
»Klar hab ich recht. Das ist eine Wäscheliste, ich wiederhole es dir.«
»Moment mal. Dies hier mag ja noch eine Wäscheliste sein, aber das oben ist eine chiffrierte Botschaft, die von sechsunddreißig Unsichtbaren spricht.«
»In der Tat. Den französischen Text hatte ich nach einer Stunde raus, aber
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