Das Foucaultsche Pendel
Schlusszeremonie brauchten wir rasch noch eine Trompete, Sie wissen schon, die üblichen Signale. Eine Sache von fünf Minuten.«
»Trompeter!« rief Don Tico. Und der unselige Inhaber des begehrten Titels, inzwischen ganz verklebt von pfefferminzgrüner Granita und begierig auf das heimische Mahl, ein träger Bauernlümmel ohne jedes Gespür für ästhetischen Schauder und höhere Ideale, begann zu jammern, es wäre schon spät, er wolle nach Hause, er hätte gar keine Spucke mehr und so weiter und so fort, und der arme Don Tico stand ganz blamiert vor dem Kommandanten.
Da sagte Jacopo, der in der Glorie des Mittags das süße Bildnis Ceciliens erspähte: »Wenn er mir die Trompete gibt, gehe ich.«
Dankbares Leuchten in den Augen Don Ticos, Erleichterung in dem verschwitzten Gesicht des offiziellen Trompeters. Austausch der Instrumente, wie zwei Wachen.
Und Jacopo schritt in den Friedhof hinein, geführt von dem Psychopompos mit den Ordensbändern aus Addis Abeba. Alles ringsum war weiß, die Mauer im blendenden Sonnenlicht, die Gräber, die blühenden Bäume an der Umfriedung, das Chorhemd des Probstes, der zum Segnen bereitstand, alles außer dem verblichenen Braun der Fotos auf den Grabsteinen. Und außer dem großen Farbfleck der vor den zwei offenen Gräbern angetretenen Formationen.
»Junge«, sagte der Kommandant, »stell dich hier neben mich, und auf mein Kommando bläst du das Attenti. Danach, wieder auf mein Kommando, das Riposo. Ist doch ganz leicht, oder?«
Kinderleicht. Nur hatte Jacopo noch nie ein Habt-acht und noch nie ein Rührt-euch geblasen.
Er hielt die Trompete im angewinkelten rechten Arm, an die Rippen gedrückt, den Trichter ein wenig nach unten gerichtet, als wär's ein Karabiner, und wartete, Kopf hoch, Bauch rein, Brust raus.
Terzi hielt eine kleine Rede mit lauter sehr kurzen Sätzen. Jacopo überlegte: Beim Blasen würde er die Augen zum Himmel heben müssen, und dann würde ihn die Sonne blenden. Aber so stirbt ein Trompeter, und da man nur einmal stirbt, tut man's lieber gleich richtig.
Dann flüsterte der Kommandant ihm zu: »Jetzt!« Und begann laut: »Aaa... « Und Jacopo wusste nicht, wie man ein At-ten-ti bläst.
Die Tonfolge musste sehr viel komplexer sein, aber in diesem Augenblick war er nur fähig, C-E-G-C zu blasen, und jenen rauen Kriegsmännern schien das auch zu genügen. Bevor er zum abschließenden C ansetzte, holte er tief Luft, damit er den Ton lange aushallen konnte, so lange, dass ihm Zeit genug blieb —, schrieb Belbo —, die Sonne zu erreichen.
Die Partisanen salutierten in Habachtstellung. Die Lebenden regungslos wie die Toten.
Es bewegten sich nur die Totengräber, man hörte das Rumpeln der Särge, die in die Gräber hinuntergelassen wurden, und das Scharren der Seile, die sich am Holz rieben, als sie hinaufgezogen wurden. Aber das war nur eine schwache Bewegung, wie das Tanzen eines Lichtreflexes auf einer Kugel, das nur die reglose Ruhe der Kugel des Seins unterstreicht.
Dann das trockene Klacken eines Präsentiert-das-Gewehr. Der Probst murmelte die Aspersionsformeln, während er das Weihwasser auf die Gräber sprengte, die Kommandanten traten an die Gruben und warfen jeder eine Handvoll Erde hinunter. Plötzlich ein kurzer Befehl, eine Salve krachte in die Luft, ta-ta-ta ta-pum, und tschilpend flog ein Schwarm kleiner Vögel aus den blühenden Bäumen auf. Aber auch das war nicht eigentlich Bewegung, es war eher, als präsentierte sich immer derselbe Augenblick in verschiedenen Perspektiven, und einen Augenblick immerfort zu betrachten heißt nicht, ihn zu betrachten, während die Zeit vergeht.
Deshalb war Jacopo regungslos stehen geblieben, unbeirrt sogar von den Patronenhülsen, die ihm vor die Füße kullerten, und hatte auch die Trompete nicht abgesetzt, sondern hielt sie noch immer am Mund, die Finger auf den Ventilen, starr in Habachtstellung, das Instrument schräg nach oben gerichtet. Er blies noch immer.
Sein langer Schlusston hatte keinen Augenblick ausgesetzt. Unhörbar für die Anwesenden kam er noch immer aus dem Trompetentrichter, wie ein leichter Atem, ein dünner Luftstrom, den Jacopo weiterhin in das Mundstück blies, die Zunge zwischen den kaum geöffneten Lippen, ohne sie gegen das Metall zu drücken. Das Instrument blieb vorgestreckt, ohne sich auf den Mund zu stützen, allein durch die Anspannung der Ellenbogen und Schultern.
Und Jacopo fuhr fort, diesen Hauch von Ton zu blasen, da er spürte, dass er in diesem
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