Das Foucaultsche Pendel
oder auf Kairo marschieren? Die kluge Entscheidung wäre Alexandria gewesen, um Ägypten einen lebenswichtigen Hafen zu nehmen. Aber da tritt der böse Geist der Expedition auf den Plan, der Bruder des Königs, Robert von Artois, ein ehrgeiziger Megalomane, begierig auf schnellen Ruhm wie alle Zweitgeborenen. Er rät, auf Kairo zu zielen, ins Herz Ägyptens. Die Templer, bisher zurückhaltend, ballen die Faust in der Tasche. Der König hat isolierte Gefechte verboten, aber nun ist es der Marschall des Ordens, der das Verbot übertritt. Er erblickt ein Banner der Mamelucken des Sultans und brüllt: »Auf sie, im Namen Gottes, denn unerträglich ist mir eine solche Schmach!«
Bei Mansurah verschanzen sich die Sarazenen am anderen Ufer eines Nilarms, die Franzosen versuchen einen Damm zu bauen, um eine Furt zu schaffen, und schützen ihn mit ihren mobilen Türmen, aber die Sarazenen haben von den Byzantinern die Kunst des griechischen Feuers gelernt. Das griechische Feuer war an der Spitze dick wie ein Fass, und sein Schwanz war gleich einer großen Lanze, es kam daher wie ein Blitz und erschien wie ein fliegender Drache. Und es warf ein so helles Licht, dass man sich im Lager sehen konnte wie am helllichten Tag.
Während das Lager der Christen lichterloh brennt, zeigt ein verräterischer Beduine dem König eine Furt, für dreihundert byzantinische Goldfranken. Der König beschließt anzugreifen, der Übergang ist nicht leicht, viele Christen ertrinken und treiben in den Wellen davon, am anderen Ufer warten dreihundert sarazenische Reiter. Doch schließlich gelangt das Gros nach drüben, die Templer reiten wie immer voran, gefolgt vom Grafen von Artois. Die muslimischen Reiter fliehen, und die Templer warten auf den Rest des christlichen Heeres. Aber Graf Artois prescht mit seinen Mannen los, um den Feinden nachzusetzen.
Daraufhin stürmen nun auch die Templer los, um ihre Ehre zu wahren, aber sie können den Artois nicht mehr erreichen, er ist schon ins feindliche Lager eingedrungen und hat ein Gemetzel angerichtet Die Muslime fliehen nach Mansurah. Darauf hat der Artois nur gewartet, die Templer versuchen ihn zurückzuhalten, Bruder Gilles, der Großkommandant des Ordens, umschmeichelt ihn, indem er sagt er habe doch nun schon ein so großartiges Unternehmen vollbracht, eines der größten, die je in überseeischen Landen gewagt worden seien. Umsonst, der geckenhafte, ruhmsüchtige Graf bezichtigt die Templer des Verrats und behauptet sogar, wenn sie und die Johanniter es nur gewollt hätten, wären jene Gebiete schon längst erobert worden, er jedoch habe nun bewiesen, wozu man imstande sei, wenn man Blut in den Adern habe. Das ist zu viel für die Ehre des Ordens, die Templer stehen niemandem nach, sie stürmen die Stadt und erobern sie, verfolgen die Feinde bis an die Mauern am anderen Ende — und merken auf einmal, dass sie dabei sind, den Fehler von Askalon zu wiederholen. Die Christen — samt Templern — haben sich damit aufgehalten, den Palast des Sultans zu plündern, die Ungläubigen konnten sich wieder sammeln und fallen über die versprengten Häuflein der Plünderer her. Haben die Templer sich erneut von ihrer Gier verblenden lassen? Andere jedoch berichten, Bruder Gilles habe zu Artois, bevor sie ihm in die Stadt gefolgt seien, mit stoischer Luzidität gesagt: »Herr, meine Brüder und ich haben keine Furcht und werden Euch folgen. Aber wisset, dass wir Zweifel haben, und zwar starke, ob Ihr und ich heil zurückkehren werden.« Wie auch immer, Graf Robert von Artois, Gott sei ihm gnädig, wird erschlagen, zusammen mit vielen anderen tapferen Rittern, darunter zweihundertachtzig Templer.
Es war schlimmer als eine Niederlage, es war eine Schande. Und doch wird es nicht als solche registriert, nicht einmal von Joinville: So was kommt eben vor, das ist die Schönheit des Krieges.
Unter der Feder des Herrn de Joinville werden viele dieser Schlachten oder Scharmützel zu harmlosen Tänzchen, zierlichen kleinen Balletten mit da und dort ein paar abgeschlagenen Köpfen und vielen Anrufungen des Herrn im Himmel und gelegentlich einer Klage des Königs über einen seiner Getreuen, der gerade den Geist aufgibt, aber alles wie in Technicolor gedreht, mit purpurnen Satteldecken, goldenen Zaumzeugbeschlägen, funkelnden Helmen und Schwertern unter der gelben Wüstensonne vor dem türkisblauen Meer, und wer weiß, ob die Templer ihre täglichen Schlächtereien nicht wirklich so erlebt hatten.
Der Blick
Weitere Kostenlose Bücher