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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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ausgingen, Ladungen für die Burgen des Mutterlandes, der Inseln, der Küsten Kleinasiens...
    Vorbei, meine armen Templer, alles vorbei.
    Mit einem Mal wurde mir bewusst, an jenem Abend in Pilades Bar, beim fünften Whisky, den Belbo mir förmlich aufzwang, dass ich geträumt hatte, sentimental (welche Schande), aber laut, und dass ich eine wunderschöne Geschichte erzählt haben musste, mit Leidenschaft und Mitgefühl, denn Dolores hatte glänzende Augen, und Diotallevi, der sich inzwischen sogar ein zweites Tonicwater geleistet hatte, drehte seraphisch die Augen zum Himmel, beziehungsweise zur keineswegs sefirothischen Decke der Bar, und murmelte: »Vielleicht waren sie alles das zugleich: verlorene und gerettete Seelen, Rossknechte und Ritter, Bankiers und Recken... «
    »Gewiss waren sie einzigartig«, lautete Belbos Urteil. »Aber sagen Sie, Casaubon, mögen Sie sie?«
    »Ich promoviere über sie, und wer über die Syphilis promoviert, mag am Ende sogar die bleichen Spirochäten.«
    »Ach, schön wie ein Film war das«, seufzte das Mädchen Dolores. »Aber jetzt muss ich gehen, tut mir leid, ich muss noch Flugblätter für morgen abziehen. Bei Marelli wird gestreikt«
    »Sei froh, dass du dir das erlauben kannst«, sagte Belbo, hob müde eine Hand und strich ihr übers Haar.
    Dann bestellte er den, wie er sagte, letzten Whisky und bemerkte: »Es ist fast Mitternacht. Ich denke dabei nicht an die gewöhnlichen Sterblichen, aber an Diotallevi. Trotzdem, beenden wir die Geschichte, ich möchte noch wissen, was es mit dem Prozess auf sich hatte. Wann, wie, warum ...«
    » Cur, quomodo, quando «, stimmte Diotallevi zu. »Ja ja!«

14
    Er sagte aus, er habe am Abend zuvor mit eigenen Augen gesehen, wie vierundfünfzig Brüder besagten Ordens auf einem Karren zum Scheiterhaufen geführt worden seien, weil sie die obengenannten errores nicht hätten gestehen wollen, und er habe sagen hören, sie seien verbrannt worden, und er selber würde, weil er fürchte, daß er nicht gut standzuhalten vermochte, so man ihn verbrennte, aus Angst vor dem Tode gestehen und auch beeiden, vor den genannten Herren Kommissaren und vor einem jedem beliebigen andern, so man ihn verhörte, daß alle dem Orden vorgeworfenen errores wahr seien, und daß er, so man es von ihm verlangte, sogar gestehen würde, unseren lieben Herrn Jesum Christum umgebracht zu haben.
    Aussage des Templers Aimery de Villiers-le-Duc am 13.5.1310
     
    Ein Prozess voller Lücken, Widersprüche, Rätsel und Dummheiten. Die Dummheiten waren am auffälligsten, und da sie mir unerklärlich waren, warf ich sie mit den Rätseln zusammen. In jenen glücklichen Studientagen glaubte ich noch, dass die Dummheit Rätsel erzeuge. Vorgestern Abend im Periskop dachte ich, dass die schrecklichsten Rätsel, um nicht als solche erkannt zu werden, sich als Verrücktheit tarnen. Heute denke ich, dass die Welt ein gutartiges Rätsel ist, das unsere Verrücktheit schrecklich macht, weil sie sich anmaßt, es nach ihrer Wahrheit zu deuten.
    Die Templer hatten kein Ziel mehr. Oder besser gesagt, sie hatten die Mittel zum Zweck gemacht, sie verwalteten ihren immensen Reichtum. Kein Wunder, dass ein auf Zentralisierung erpichter Monarch wie Philipp der Schöne sie scheel ansah. Wie ließ sich ein souveräner Orden unter Kontrolle halten? Der Großmeister hatte den Rang eines Fürsten von Geblüt, er befehligte eine Armee, verwaltete einen immensen Grundbesitz, war gewählt wie der Kaiser und besaß eine unumschränkte Autorität. Der französische Staatsschatz befand sich nicht in den Händen des Königs, sondern wurde im Pariser Tempel gehütet. Die Templer waren die Depositäre, Prokuristen und Verwalter eines formal auf den Namen des Königs eingetragenen Kontos. Sie kassierten, bezahlten, spekulierten mit den Zinsen, kurzum: sie benahmen sich wie eine große Privatbank, aber mit allen Privilegien und Freiheiten einer Staatsbank. Und des Königs Schatzmeister war ein Templer ... Kann man unter solchen Bedingungen ernstlich regieren?
    Wen man nicht schlagen kann, den muss man umarmen. Philipp ersuchte den Orden, ihn zum Ehrenmitglied zu ernennen. Die Antwort war negativ. Eine Beleidigung, die sich ein König merkt. Er wandte sich an den Papst und legte ihm nahe, die Templer mit den Johannitern zu fusionieren, um den neuen Orden dann einem seiner Söhne zu unterstellen. Der Großmeister des Tempels, Jacques de Molay, kam mit großem Pomp aus Zypern angereist, wo er inzwischen wie ein

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