Das Foucaultsche Pendel
Joinvilles bewegt sich von oben nach unten oder von unten nach oben, je nachdem, ob er gerade vom Pferd fällt oder sich wieder hinaufschwingt, und er erfasst einzelne Szenen, aber der Schlachtverlauf entgeht ihm, alles löst sich in einzelne Zweikämpfe auf, und nicht selten bleibt der Ausgang offen. Joinville eilt dem Herrn von Wanon zu Hilfe, ein Türke trifft ihn mit der Lanze, sein Pferd bricht zusammen, Joinville fliegt im hohen Bogen über den Kopf des Tieres, erhebt sich mit dem Schwert in der Hand, und Messire Erard de Siverey (»Gott sei ihm gnädig«) winkt ihm, sich in ein zerfallenes Haus zu retten, sie werden von einem Trupp Türken buchstäblich überrannt, erheben sich unverletzt, erreichen das Haus, verschanzen sich darin, und die Türken bestürmen sie von oben mit Lanzen. Messire Frederic de Loupey wird am Rücken verwundet, »und so groß war die Wunde, dass das Blut heraussprang wie der Korken aus einer Flasche«, der Siverey wird von einem Hieb im Gesicht getroffen, »dass die Nase ihm auf die Lippen fiel«. Und so weiter, in letzter Minute kommen die Retter, das Haus wird verlassen, der Blick richtet sich auf andere Teile des Schlachtfeldes, neue Szenen, weitere Tode und Rettungsaktionen in letzter Minute und laute Gebete zu Messire Saint-Jacques. Und derweilen ruft der wackere Graf von Soissons, während er wacker Hiebe austeilt: »Seigneur de Joinville, lassen wir diese Kanaille heulen, bei Gott, von diesem Tage werden wir noch sprechen, wenn wir wieder im Kreise der Damen sind!«
Und als der König fragt, was für Nachricht man von seinem Bruder habe, dem zur Hölle gefahrenen Grafen Artois, antwortet ihm Bruder Henry de Ronnay, Oberhaupt des Johanniterordens: »Gute Nachricht, denn gewiss ist Graf Artois jetzt schon im Paradiese.« Gelobt sei Gott für alles, was er uns schickt, sagt der König, und dicke Tränen rinnen ihm aus den Augen.
Nicht immer ist es Ballett, ob zierlich oder blutig. Der Großmeister Guillaume de Sonnac verbrennt lebendigen Leibes im griechischen Feuer, das christliche Heer wird, infolge des großen Leichengestanks und des Mangels an Lebensmitteln, vom Skorbut erfasst, die Flotte des heiligen Ludwig ist zerstört, der König wird von der Ruhr ausgesogen, sodass er in der Schlacht, um Zeit zu gewinnen, sich den Hosenboden aufschneiden muss. Damiette ist verloren, die Königin muss mit den Sarazenen verhandeln und bezahlt ihnen fünfhunderttausend französische Pfund für das Leben des Königs.
Aber Kreuzzüge führt man mit kardinaler Unredlichkeit. In Akkon wird Ludwig als Triumphator empfangen, die ganze Stadt zieht ihm in großer Prozession entgegen, samt Klerus, Frauen und Kindern. Die Templer denken weiter und versuchen, in Verhandlungen mit Damaskus zu treten. Ludwig kriegt Wind davon, erträgt es nicht, übergangen worden zu sein, staucht den neuen Großmeister vor den versammelten Botschaftern der Sarazenenherrscher zusammen, und der Großmeister widerruft das den Feinden gegebene Wort, kniet vor dem König nieder und bittet ihn um Vergebung. Man kann nicht sagen, dass die Ritter sich nicht gut geschlagen hätten, sie waren tapfer und selbstlos, aber der König von Frankreich demütigt sie, um seine Macht zu stabilisieren — und aus demselben Grunde wird sein Nachfolger Philipp sie ein halbes Jahrhundert später auf den Scheiterhaufen schicken.
Im Jahre 1291 wird Akkon von den Sarazenen erobert, und alle Einwohner werden geopfert. Mit dem restlichen Königreich von Jerusalem ist es vorbei. Die Templer sind wohlhabender, zahlreicher und mächtiger denn je, doch im Heiligen Lande, das zu befreien sie sich einst aufgemacht hatten, im Heiligen Lande gibt es die Templer nicht mehr.
Sie leben glanzvoll begraben in ihren Komtureien überall in Europa und im Tempel zu Paris, und sie träumen noch immer von der Esplanade des Tempels zu Jerusalem in den glorreichen Zeiten — die schöne Kirche Sankt Marien in Lateran, vollgestopft mit Votivkapellen und Siegestrophäen, umgeben von emsigen Schmiedewerkstätten, Sattlereien, Tuchwebereien und Kornspeichern, dazu ein Stall mit zweitausend Pferden, ein Gewimmel von Schildknappen, Adjutanten, türkischen Söldnern, die weißen Mäntel mit roten Kreuzen, die braunen Kutten der Hilfskräfte, die Gesandten des Sultans mit großen Turbanen und vergoldeten Helmen, die Pilger, ein Hin und Her von schönen Reiterschwadronen und Kurieren, dazu die Pracht der vollen Tresore, der Hafen, aus dem Befehle und Dispositionen
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