Das Foucaultsche Pendel
sich's bequem, Herr Vogt, sehen Sie sich um, wo Sie wollen, fühlen Sie sich wie zu Hause ...
Als der Papst von der Verhaftung erfährt, versucht er's mit einem Protest, aber nun ist es zu spät Die königlichen Kommissare haben schon angefangen, mit Eisen und Strick zu arbeiten, und viele Ritter haben unter der Folter bereits gestanden. Nun kann man sie nur noch den Inquisitoren überantworten, die zwar damals noch nicht das Feuer anwandten, aber es geht auch so. Die Geständigen wiederholen ihre Geständnisse.
Und dies ist das dritte Rätsel: Gewiss ist Folter angewandt worden, und zwar schlimme, wenn sechsunddreißig Ritter daran gestorben sind, aber von diesen Männern aus Eisen, die es gewohnt waren, dem grausamen Türken standzuhalten, hält keiner den Schergen des Königs stand. In Paris verweigern bloß vier von einhundertachtunddreißig Templern das Geständnis. Alle andern gestehen, einschließlich Jacques de Molay.
»Aber was gestehen sie denn?«, fragte Belbo.
»Sie gestehen genau das, was im Haftbefehl geschrieben stand. Ihre Aussagen weichen kaum voneinander ab, jedenfalls in Frankreich und Italien. In England dagegen, wo ihnen niemand ernstlich den Prozess machen will, tauchen zwar in den Aussagen auch die üblichen Anklagen auf, aber sie werden ordensfremden Zeugen zugeschrieben, die nur berichten, was sie vom Hörensagen wissen. Mit einem Wort, die Templer gestehen nur dort, wo jemand will, dass sie gestehen, und nur das, was er von ihnen hören will.«
»Normaler Inquisitionsprozess«, sagte Belbo. »Von der Sorte haben wir schon andere gesehen.«
»Trotzdem ist das Verhalten der Angeklagten bizarr. Die Anklagepunkte lauten, die Ritter hätten bei ihren Initiationsritualen dreimal Christus verleugnet, auf das Kruzifix gespuckt, sich entblößt und in posteriori parte spine dorsi (auf den unteren Teil der Wirbelsäule... in Beleidigung der Menschenwürde) küssen lassen, also auf den Hintern, danach auf den Nabel und auf den Mund, in humane dignitatis opprobrium; schließlich hätten sie, sagt der Anklagetext, sich wechselseitig dem Beischlaf hingegeben, alle miteinander. Die Orgie. Dann sei ihnen der Kopf eines bärtigen Götzen gezeigt worden, und sie hätten ihn anbeten müssen. Und was erwidern sie auf diese Beschuldigungen? Geoffroy de Charnay, derselbe, der später mit Jacques de Molay auf dem Scheiterhaufen verbrannt wird, sagt, ja, das sei schon vorgekommen, er habe Christus verleugnet, aber nur mit den Lippen, nicht mit dem Herzen, und er könne sich nicht erinnern, ob er auf das Kruzifix gespuckt habe, weil an jenem Abend alles so schnell gegangen sei. Was den Kuss auf den Hintern betreffe, ja, auch das sei ihm widerfahren, und er habe den Präzeptor der Auvergne sagen hören, im Grunde sei's besser, sich mit den Brüdern zu vereinigen, als sich mit einer Frau zu kompromittieren, aber er selber habe keine fleischlichen Sünden mit andern Rittern begangen. Kurz, man gesteht, aber es sei nur ein Spiel gewesen, niemand habe ernstlich daran geglaubt, die anderen haben's vielleicht getan, aber ich nicht, ich hab nur aus Höflichkeit mitgemacht ... Jacques de Molay, der Großmeister, nicht der letzte der Bande, sagt, er habe, als man ihm das Kruzifix zum Draufspucken hinhielt, nur so getan, aber auf den Boden gespuckt. Er räumt ein, dass die Initiationsrituale ungefähr so gelaufen seien, aber wie's der Zufall will — er könne es nicht genau sagen, weil er während seiner ganzen Karriere nur ganz wenige Brüder initiiert habe. Ein anderer sagt, er habe den Meister zwar schon geküsst, aber nicht auf den Hintern, sondern bloß auf den Mund, allerdings habe der Meister dann ihn auf den Hintern geküsst. Einige gestehen mehr als nötig: Sie hätten nicht nur Christus verleugnet, sondern auch behauptet, er sei ein Verbrecher gewesen, sie hätten die Jungfräulichkeit Mariens geleugnet, und aufs Kruzifix hätten sie sogar uriniert, und das nicht nur am Tage ihrer Initiation, sondern auch während der Karwoche; sie glaubten nicht an die Sakramente, und sie hätten sich nicht damit begnügt, nur den Baphomet anzubeten, sondern auch den Teufel in Gestalt einer Katze ...«
Nicht minder grotesk, wenn auch nicht ganz so unglaublich, ist das Ballett, das daraufhin zwischen König und Papst beginnt. Der Papst will den Fall in die Hand nehmen, der König zieht es vor, den Prozess allein durchzufahren, der Papst möchte den Orden nur vorübergehend verbieten, um die Schuldigen zu bestrafen, und ihn
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