Sam Aus Dem Meer
Laine drückte auf einen Knopf und das nächste Bild erschien auf dem Whiteboard.
Sie drehte sich zu ihren Mitschülern um, die teils geistig abwesend, desinteressiert oder – ganz toll – mit geheuchelter Aufmerksamkeit zu ihr nach vorne sahen. Leslie tippte eine SMS unterm Tisch. Nathalie malte mit aufgestütztem Kopf auf einem Block herum. Tyler und Ethan spielten Schiffe versenken.
„Kann mir jemand sagen, was das hier für ein Hai ist?“, fragte Laine. Niemand meldete sich.
Mr. Hutch kam seiner Aufgabe als Biologielehrer nach, indem er mit verschränkten Armen und wohlwollendem ich-unterstütze-das-Referat-aus-dem-Off-Gesicht den Blick schweifen ließ. Leider hatte sich diese Geste bereits zu sehr abgenutzt, um eine ernsthafte Beteiligung der Schüler zu provozieren.
„Das ist Bruce!“, rief Will von hinten und Joshua klatschte ihn lachend ab.
„Kommt schon, Leute“, sagte Mr. Hutch. „Laine hat sich viel Mühe gegeben.“
Laine rollte die Augen. Hutch machte alles nur schlimmer.
„Ein Weißhai“, schlug Sophia vor.
„Nein, sicher nicht. Wenn ihr hinseht, könnt ihr keinerlei Ähnlichkeit mit einem weißen Hai feststellen. Auch nicht mit Bruce. Das hier ist ein Weißspitzen-Hochseehai. Er wird manchmal als der für den Menschen gefährlichste Hai beschrieben, da er sehr neugierig ist und alles angreift, was ihm von der Größe her als Beute sinnvoll erscheint, also ein opportunistischer Jäger. Wie die meisten Haiarten ist auch er stark in seinem Bestand bedroht.“
„Na und“, sagte jemand, „dann kann ich wenigstens in Ruhe baden.“ Hier und da kam ein Glucksen aus den hinteren Reihen.
„Das kannst du dann nicht mehr“, sagte Laine. „Ohne Haie stirbt das Meer und ohne ein funktionierendes Meer kippt das Weltklima. Haie gehören also zu den wichtigsten Tieren überhaupt. Leider haben sie eine schlechte Lobby. Völlig zu unrecht.“
Laine klickte das nächste Bild auf den Schirm.
„Oh, ein Riesenhai“, warf Mr. Hutch ein und nickte wissend in die Runde. Laine stöhnte innerlich und beschloss, dass es wohl besser war, zu einem Ende zu kommen. Es wirkte sich ihrer Erfahrung nach nicht positiv auf die Note aus, wenn man sich anstrengte und die Haie interessierten niemanden in ihrer Klasse. Es sei denn, sie hätte kleine Filme von blutigen Szenen vorgeführt, in dem die Tiere wild um sich beißend Fleischköder vertilgten. Billige Showeffekte für das gemeine Volk. Und genau das war eben nicht ihr Stil. Sie wollte Verständnis für diese Meeresbewohner wecken, aber das würde wohl ein frommer Wunsch bleiben müssen. Sie warf einen schnellen Blick auf ihre Armbanduhr. Die Zeit war sowieso um, aber den fetten Patzer mit dem Riesenhai konnte sie Hutch nicht durchgehen lassen.
„Mr. Hutch, das ist ein Walhai. Und nebenbei gesagt, hat er weniger Ähnlichkeit mit dem Riesenhai, als der weiße Hai mit dem Weißspitzen-Hochseehai“, sagte Laine. „Sie sind doch Biolehrer. Wissen Sie zufällig, warum Tigerhaie zu Boden sinken, wenn man ihre Rückenflosse anfasst, Mr. Hutch?“
„Tun sie das?“, fragte Hutch. In dem Moment klingelte es.
„Lesen Sie das doch mal für uns nach und berichten Sie uns in der nächsten Stunde davon. Mein Vortrag ist erst mal beendet. Vielen Dank“, sagte Laine. Sie raffte ihr Material zusammen.
„Das war echt gut eben“, sagte Elizabeth und lief hinter ihrer Freundin her.
„Komm, hör auf“, sagte Laine, ohne ihr immer noch wütendes Tempo zu drosseln, „das sind doch Perlen vor die Säue.“
„Nee, ich mein doch, wie du den Hutch vorgeführt hast. Das war echt genial.“
„War ja nicht besonders schwer“, motzte Laine. „Und so einer soll uns was beibringen. Da kann ich gleich zu Hause bleiben und mir Tier-Dokus ansehen. Da lern ich mehr bei. Und die anderen interessiert das sowieso nicht.“
„Och Süüüße … steht halt nicht jeder auf Meeresviecher.“ Elizabeth hakte ihre Freundin unter.
„Ich steh aber voll auf Meeresviecher, klar?“, sagte Laine.
„Jetzt reg dich ab. Du hast es gut gemacht und bald sind wir auf dem College. Also da, wo Hutch noch nie war.“
„Lizzy, da muss ich dir zweifach recht geben, dreifach sogar“, sagte Laine. „Und ich liebe es, wenn du recht hast. Du schaffst es immer, mich wieder runterzubringen, wenn diese Typen mich aufregen.“
„Das ist mein Job. Cafeteria?“, fragte Liz.
„Unbedingt.“
Später saßen sie mit Kaffee, Kakao und Donuts an ihrem Lieblingstisch in der
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