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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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würde, aber Sie werden verstehen, dass ich, in dieser Phase meiner Bemühungen angelangt, mit Recht ungeduldig bin. Jener Herr... ach, zum Teufel mit der Zurückhaltung, ich möchte nicht, dass Sie mich für einen Aufschneider halten. Es handelt sich um Rakosky... « Er machte eine Pause und wartete auf unsere Reaktion. »Um wen?« enttäuschte ihn Belbo.
    »Na, um den großen Rakosky! Eine Autorität in der Traditionsforschung, Exdirektor der Cahiers du Mystère! « »Ah«, sagte Belbo. »Ja, mir scheint, Rakosky, sicher... « »Eh bien, ich behalte mir vor, meinen Text endgültig zu überarbeiten, nachdem ich noch einmal die Ratschläge jenes Herrn angehört habe, aber ich möchte die Sache beschleunigen, und wenn ich einstweilen zu einer Einigung mit Ihrem Hause käme... Ich wiederhole, die Sache ist eilig, ich muss Reaktionen wecken, Hinweise sammeln... Es gibt Leute, die Bescheid wissen und nicht reden... Bedenken Sie nur, meine Herren: genau 1944, obwohl ihm aufgeht, dass er den Krieg verloren hat, beginnt Hitler von einer Geheimwaffe zu sprechen, die ihm erlauben soll, die Lage zu wenden. Es heißt, er sei verrückt gewesen. Und wenn er nun nicht verrückt war? Können Sie mir folgen?« Auf seiner Stirn glänzten Schweiß tropfen, und sein Schnurrbart sträubte sich fast, wie bei einer Katze. »Kurzum«, schloss er, »ich werfe den Köder aus. Wir werden ja sehen, ob jemand anbeißt.«
    Nach allem, was ich von Belbo damals wusste und dachte, hätte ich nun erwartet, dass er den Oberst mit ein paar höflichen Sätzen hinauskomplimentieren würde. Statt dessen sagte er: »Hören Sie, Oberst, die Sache klingt hochinteressant, ganz unabhängig von der Frage, ob es ratsam für Sie ist, mit uns oder lieber mit einem anderen Verlag abzuschließen. Sie haben doch hoffentlich noch zehn Minuten Zeit, nicht wahr?« Dann wandte er sich an mich: »Für Sie ist es spät, Casaubon, ich habe Sie schon lange genug aufgehalten. Vielleicht sehen wir uns morgen, ja?«
    Es war eine Entlassung. Diotallevi fasste mich unter den Arm und sagte, er müsse auch gehen. Wir verabschiedeten uns. Der Oberst gab Diotallevi einen warmen Händedruck und warf mir ein knappes Kopfnicken zu, begleitet von einem kühlen Lächeln.
    Während wir die Treppe hinuntergingen, sagte Diotallevi: »Sicher fragen Sie sich, warum Belbo Sie hinausgeschickt hat. Nehmen Sie's nicht als Unhöflichkeit. Er muss dem Oberst ein sehr diskretes Angebot machen. Die Diskretion ist eine Anordnung von Signor Garamond. Ich verziehe mich auch, um keine Verlegenheit aufkommen zu lassen.«
    Wie ich später begriff, versuchte Belbo, den Oberst der Hydra Manuzio in den Rachen zu werfen.
    Ich schleppte Diotallevi zu Pilade, wo ich einen Campari trank und er einen Rabarbaro. Das schien ihm, sagte er, mönchisch, archaisch und quasi templerisch.
    Ich fragte ihn, was er von dem Oberst hielt.
    »In Verlagen«, sagte er, »fließt aller Schwachsinn der Welt zusammen. Aber da im Schwachsinn der Welt die Weisheit des Höchsten aufblitzt, betrachtet der Weise den Schwachsinnigen mit Demut.« Dann entschuldigte er sich, er müsse gehen. »Heute Abend habe ich ein Festmahl.«
    »Eine Party?«, fragte ich.
    Er schien verstört ob meiner Seichtheit. »Sohar«, präzisierte er. »Lech Lechah. Noch ganz unverstandene Seiten.«

21
    ... des grâles, der sô swaere wigt
daz in diu valschlîch menscheit
nimmer von der stat getreit.
    ([der] Gral [] wiegt so schwer,
daß ihn die ganze sündige Menschheit
nicht von der Stelle rücken könnte)
    Wolfram von Eschenbach, Parzival, IX, 477
     
    Der Oberst hatte mir nicht gefallen, aber er hatte mich interessiert. Man kann auch lange und fasziniert einen Gecko betrachten. Ich war dabei, die ersten Tropfen des Giftes zu kosten, das uns alle ins Verderben führen sollte.
    Am folgenden Nachmittag ging ich wieder zu Belbo, und wir sprachen ein wenig über unseren Besucher. Belbo meinte, er sei ihm wie ein Mythomane vorgekommen. »Haben Sie gesehen, wie er diesen Rokoschki oder Raskolski erwähnte, als wäre es Kant?«
    »Na, und dann sind das doch alte Geschichten«, sagte ich. »Ingolf war ein Irrer, der daran glaubte, und der Oberst ist ein Irrer, der an Ingolf glaubt.«
    »Vielleicht hatte er gestern daran geglaubt, und heute glaubt er an was anderes. Ich will Ihnen was sagen: Bevor ich ihn gestern wegschickte, habe ich ihm eine Verabredung für heute Vormittag mit ... mit einem anderen Verlag arrangiert, einem gefräßigen Verlag, der jedes Buch

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