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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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behandelt ihn zuvorkommend, schließlich weiß man ja nie. Sehen Sie dort an der Wand ...«, er deutete auf zwei bemalte Figuren, einen nackten Indio und einen alten, weiß gekleideten Negersklaven, der sitzend die Pfeife rauchte: »Das sind ein caboclo und ein preto velbo, Geister Verstorbener, die in den Umbanda-Riten eine sehr wichtige Rolle spielen. Was tun sie hier? Sie nehmen Ehrbezeigungen entgegen, sie werden nicht angerufen, da der Candomblé nur Beziehungen zu den afrikanischen Orixás unterhält, aber sie werden auch nicht verleugnet.«
    »Was ist denn das Gemeinsame all dieser Kirchen?«
    »Nun, sagen wir, kennzeichnend für alle afro-brasilianischen Kulte ist, dass während des Ritus die Initiierten besessen sind, wie in Trance, besessen von höheren Wesen. Im Candomblé von den Orixás, im Umbanda von den Geistern der Verstorbenen ...«
    »Mein Gott, ich hatte mein Land und meine Rasse schon ganz vergessen«, sagte Amparo. »Ein bisschen Europa und ein bisschen historischer Materialismus haben mir alles ausgetrieben, dabei hatte ich diese Geschichten von meiner Großmutter gehört ...«
    »Ein bisschen historischer Materialismus«, sagte Agliè lächelnd. »Mir scheint, ich habe davon schon gehört. Ein apokalyptischer Kult, begründet von diesem Trierer, nicht wahr?«
    Ich drückte Amparos Arm. »No pasarán (Sie werden nicht siegen [Schlachtruf der Antifaschisten im spanischen Bürgerkrieg]), mi amor.«
    »Cristo!«, murmelte sie.
    Agliè hatte unseren halblauten Dialog mit angehört, ohne sich einzuschalten. »Die Potenzen des Synkretismus sind unbegrenzt, meine Liebe. Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen auch die politische Version dieser Geschichte liefern. Die Gesetze des neunzehnten Jahrhunderts geben den Sklaven die Freiheit wieder, aber im Bemühen, die Stigmata ihrer Sklaverei loszuwerden, verbrennen die Freigelassenen alle Archive des Sklavenhandels. Die Sklaven werden der Form nach frei, haben aber nun keine Vergangenheit mehr. Infolgedessen versuchen sie, eine kollektive Identität wiederzufinden, da sie die familiäre verloren haben. Sie kehren zurück zu den Wurzeln. Das ist ihre Art, sich — wie ihr Jungen heute sagt — den herrschenden Kräften zu widersetzen.«
    »Aber eben sagten Sie doch, dass sich diese europäischen Sekten da mit eingemischt haben«, sagte Amparo.
    »Meine Liebe, Reinheit ist ein Luxus, und die Sklaven nehmen sich, was sie kriegen. Aber sie rächen sich. Inzwischen haben sie schon mehr Weiße eingefangen, als Sie sich träumen lassen. Die afrikanischen Kulte hatten zu Anfang die gleiche Schwäche wie alle Religionen, sie waren örtlich begrenzt, stammesgebunden und kurzsichtig. Im Kontakt mit den Mythen der Eroberer haben sie ein uraltes Wunder reproduziert: sie haben die antiken Mysterienkulte wieder zum Leben erweckt, die im zweiten und dritten Jahrhundert unserer Ära im Mittelmeerraum grassierten, zwischen einem Rom, das sich langsam zersetzte, und den Fermenten aus Persien, aus Ägypten, aus dem vorjüdischen Palästina ...In den Jahrhunderten des spätrömischen Reiches nahm Afrika die Einflüsse der gesamten mediterranen Religiosität in sich auf und bewahrte sie, verdichtete sie. Europa wurde verdorben vom Christentum der Staatsraison, Afrika konservierte ein Wissen, uralte Wissensschätze, wie schon zur Zeit der Ägypter, als es sie den Griechen schenkte, die sie dann verschluderten.«

28
    Es gibt einen Leib, der die ganze Welt umspannt, und stellt ihn euch vor in Form eines Kreises, denn dies ist die Form des Alls... Nun stell dir vor, daß unter dem Kreis dieses Leibes die 36 Dekane sind, im Zentrum zwischen dem ganzen Kreis und dem Tierkreis, die beiden Kreise trennend und gleichsam den Tierkreis begrenzend, zum Tierkreis hinaufversetzt mitsamt den Planeten... Der Wechsel der Könige, die Erhebung der Städte, die Hungersnöte, die Pest, der Rückfluß des Meeres, die Erdbeben, nichts von alledem findet statt ohne den Einfluß der Dekane...
    Corpus Hermeticum, Stobaeus, excerptum VI
     
    »Aber was für ein Wissen?«
    »Ist Ihnen klar, wie groß die Epoche zwischen dem zweiten und dritten Jahrhundert nach Christus war? Nicht wegen der Prunkentfaltung des Reiches, das sich schon im Niedergang befand, sondern wegen dessen, was derweilen im Mittelmeerraum florierte. In Rom schlachteten die Prätorianer ihre Kaiser ab, und im Mittelmeerraum blühte die Epoche des Apuleius, der Isis-Mysterien, jener großen Rückkehr der Spiritualität, die der Neuplatonismus

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