Das Foucaultsche Pendel
zusammen sieht, woher sie auch kommen mögen ... Und folglich sind diese Sklaven oder Abkömmlinge von Sklaven weiser als die Ethnologen der Sorbonne. Verstehen Sie, was ich meine, wenigstens Sie, mein schönes Fräulein?«
»Nicht mit dem Verstand«, sagte Amparo. »Mit dem Uterus. Verzeihen Sie, ich kann mir vorstellen, dass sich der Graf von Saint-Germain nicht so ausgedrückt hätte. Ich meine, ich bin in diesem Land geboren, und auch das, was ich nicht weiß, spricht von irgendwoher zu mir, ich glaube, von hier.« Sie berührte ihre Brust.
»Wie sagte an jenem Abend der Kardinal Lambertini zu der schönen Dame mit dem herrlichen Diamantkreuz auf dem Dekolleté? Welche Freude muss es sein, auf diesem Kalvarienberg zu sterben! Genauso gerne würde ich jene Stimmen hören. Aber jetzt muss ich mich entschuldigen, und zwar bei Ihnen beiden. Ich komme aus einer Epoche, in der man seine Seele verkauft hätte, um der Anmut Reverenz zu erweisen. Sie wollen gewiss allein sein. Wir bleiben in Kontakt.«
»Er könnte dein Vater sein«, sagte ich zu Amparo, während ich sie an den Ständen vorbeizog.
»Sogar mein Urgroßvater. Er hat uns angedeutet, dass er mindestens tausend Jahre alt ist. Bist du eifersüchtig auf Pharaos Mumie?«
»Ich bin eifersüchtig auf jeden, der dir ein Licht im Kopf ansteckt.«
»Wie schön, das ist wahre Liebe.«
27
Als er einmal erzählte, daß er Pontius Pilatus in Jerusalem gut gekannt habe, beschrieb er minuziös das Haus des Statthalters und nannte die Speisen, die serviert worden seien, als er eines Abends mit ihm diniert habe. Der Kardinal de Rohan, der Phantasiegespinste zu hören meinte, wandte sich an den Kammerdiener des Grafen von Saint-Germain, einen Alten mit weißem Haar und ehrlicher Miene: »Mein Freund«, sagte er, »es fällt mir schwer zu glauben, was Euer Herr da erzählt. Daß er ein Bauchredner sei, meinetwegen; daß er Gold mache, wohlan; aber daß er zweitausend Jahre alt sein und Pontius Pilatus gekannt haben soll, das ist zuviel. Wart Ihr dabei?« — »O nein, Monseigneur«, antwortete treuherzig der Kammerdiener, »ich bin erst seit vierhundert Jahren im Dienst des Herrn Grafen.«
Collin de Plancy, Dictionnaire infernal, Paris, Mellier, 1844, p. 434
In den folgenden Tagen wurde ich von Salvador gepackt und verbrachte nur wenig Zeit im Hotel. Beim Blättern im Register des Buches über die Rosenkreuzer fand ich einen Hinweis auf den Grafen von Saint-Germain. Schau, schau, sagte ich mir, tout se tient.
Voltaire schrieb über ihn, er sei »un homme qui ne meurt jamais et qui sait tout (ein Mann, der niemals stirbt und der alles weiß) «, aber Friedrich der Große antwortete ihm, er sei bloß »un comte pour rire (ein Graf zum Lachen)«. Horace Walpole sprach von ihm als von einem Italiener oder Spanier oder Polen, der angeblich ein großes Vermögen in Mexiko erworben hatte und dann nach Konstantinopel geflohen war, mit den Juwelen seiner Frau. Die sichersten Auskünfte über ihn finden sich in den Memoiren der Madame de Hausset, einer Hofdame der Pompadour (schöne Empfehlung, meinte Amparo intolerant). Er war unter diversen Namen aufgetreten, als Surmont in Brüssel, als Welldone in Leipzig, als Marquis von Aymar, von Bedmar oder von Belmar, als Graf Soltikoff. In London, wo er als Geiger und Cembalist in den Salons brillierte, wurde er 1745 verhaftet; drei Jahre später erscheint er in Paris und bietet Ludwig XV. seine Dienste als Experte für Tinkturen an, im Tausch gegen eine Suite im Château de Chambord. Der König verwendet ihn für diplomatische Missionen in Holland, wo er irgendetwas anstellt und daraufhin erneut nach London flieht 1762 finden wir ihn in Russland wieder, dann erneut in Belgien. Dort begegnet er Casanova, der berichtet, wie er eine Münze in Gold verwandelt habe. 1776 ist er in Potsdam am Hofe Friedrichs des Großen, dem er verschiedene chemische Projekte vorlegt, acht Jahre später stirbt er in Schleswig, im Dienst des Landgrafen von Hessen, für den er im Begriff war, eine Farbenfabrik zu errichten.
Nichts Außergewöhnliches, die typische Karriere eines Abenteurers im achtzehnten Jahrhundert, mit weniger Liebesaffären als Casanova und weniger theatralisch inszenierten Betrügereien als Cagliostro. Im Grunde, abgesehen von ein paar Zwischenfällen, genoss er ein gewisses Ansehen bei den Mächtigen, denen er die Wunder der Alchimie versprach, aber mit industrieller Verve. Nur dass sich um ihn, und sicher von ihm genährt, das
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