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Das Fräulein von Scuderi

Das Fräulein von Scuderi

Titel: Das Fräulein von Scuderi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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Truges zu leben. Sie klagte das Verhängnis an, das in bitterm Hohn ihr so viele Jahre gegönnt, ihren Glauben an Tugend und Treue zu stärken und nun in ihrem Alter das schöne Bild vernichte, welches ihr im Leben geleuch-tet.
    Sie vernahm, wie die Martiniere Madelon fortbrachte, die leise seufzte und jammerte: Ach! – auch sie – auch sie haben die Grausamen betört. – Ich Elende – armer, un-glücklicher Olivier! – Die Töne drangen der Scuderi ins Herz, und aufs neue regte sich aus dem tiefsten Innern heraus die Ahnung eines Geheimnisses, der Glaube an Oliviers Unschuld. Bedrängt von den widersprechendsten Gefühlen, ganz außer sich rief die Scuderi: Welcher Geist der Hölle hat mich in die entsetzliche Geschichte verwik-kelt, die mir das Leben kosten wird! – In dem Augenblick trat Baptiste hinein, bleich und erschrocken, mit der Nachricht, daß Desgrais draußen sei. Seit dem abscheulichen 44
    Prozeß der la Voisin war Desgrais' Erscheinung in einem Hause der gewisse Vorbote irgend einer peinlichen Anklage, daher kam Baptistes Schreck, deshalb fragte ihn das Fräulein mit mildem Lächeln: Was ist dir, Baptiste? – Nicht wahr! – der Name Scuderi befand sich auf der Liste der la Voisin? Ach um Christus willen, erwiderte Baptiste, am ganzen Leibe zitternd, wie möget Ihr nur so etwas aus-sprechen, aber Desgrais – der entsetzliche Desgrais, tut so geheimnisvoll, so dringend, er scheint es gar nicht erwarten zu können, Euch zu sehen! – Nun, sprach die Scuderi, nun Baptiste, so führt ihn nur gleich herein den Menschen, der Euch so fürchterlich ist und der mir wenigstens keine Besorgnis erregen kann. – Der Präsident, sprach Desgrais, als er ins Gemach getreten, der Präsident la Regnie schickt mich zu Euch, mein Fräulein, mit einer Bitte, auf deren Erfüllung er gar nicht hoffen würde, kennte er nicht Eure Tugend, Euern Mut, läge nicht das letzte Mittel, eine böse Blutschuld an den Tag zu bringen, in Euern Händen, hättet Ihr nicht selbst schon teil genommen an dem bösen Prozeß, der die Chambre ardente , uns alle in Atem hält. Olivier Brußon, seitdem er Euch gesehen hat, ist halb rasend. So sehr er schon zum Bekenntnis sich zu neigen schien, so schwört er doch jetzt aufs neue bei Christus und allen Heiligen, daß er an dem Morde Cardillacs ganz unschuldig sei, wiewohl er den Tod gern leiden wolle, den er verdient habe. Bemerkt, mein Fräulein, daß der letzte Zusatz offenbar auf andere Verbrechen deutet, die auf ihm lasten. Doch vergebens ist alle Mühe, nur ein Wort weiter herauszubringen, selbst die Drohung mit der Tortur hat nichts gefruchtet. Er fleht, er beschwört uns, ihm eine Unterredung mit Euch zu verschaffen, Euch nur, Euch allein will er alles gestehen. Laßt Euch herab, mein Fräulein, Brußons Bekenntnis zu hören. Wie! rief die Scuderi ganz entrüstet, soll ich dem Blutgericht zum Organ dienen, 45
    soll ich das Vertrauen des unglücklichen Menschen miß-
    brauchen, ihn aufs Blutgerüst zu bringen? – Nein Desgrais! mag Brußon auch ein verruchter Mörder sein, nie wär' es mir doch möglich, ihn so spitzbübisch zu hinterge-hen. Nichts mag ich von seinen Geheimnissen erfahren, die wie eine heilige Beichte in meiner Brust verschlossen bleiben würden. Vielleicht, versetzte Desgrais mit einem feinen Lächeln, vielleicht, mein Fräulein, ändert sich Eure Gesinnung, wenn Ihr Brußon gehört habt. Batet Ihr den Präsidenten nicht selbst, er sollte menschlich sein? Er tut es, indem er dem törichten Verlangen Brußons nachgibt und so das letzte Mittel versucht, ehe er die Tortur verhängt, zu der Brußon längst reif ist. Die Scuderi schrak unwillkürlich zusammen. Seht, fuhr Desgrais fort, seht, würdige Dame, man wird Euch keineswegs zumuten, noch einmal in jene finsteren Gemächer zu treten, die Euch mit Grausen und Abscheu erfüllen. In der Stille der Nacht, oh-ne alles Aufsehen bringt man Olivier Brußon wie einen freien Menschen zu Euch in Euer Haus. Nicht einmal belauscht, doch wohl bewacht, mag er Euch dann zwanglos alles bekennen. Daß Ihr für Euch selbst nichts von dem Elenden zu fürchten habt, dafür stehe ich Euch mit meinem Leben ein. Er spricht von Euch mit inbrünstiger Verehrung. Er schwört, daß nur das düstre Verhängnis, welches ihm verwehrt habe, Euch früher zu sehen, ihn in den Tod gestürzt. Und dann steht es ja bei Euch, von dem, was Euch Brußon entdeckt, so viel zu sagen, als Euch be-liebt. Kann man Euch zu mehrerem zwingen?
    Die Scuderi sah

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