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Das Schiff der Hoffnung

Das Schiff der Hoffnung

Titel: Das Schiff der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Karl Haußmann hatte schlecht geschlafen. Die kalte Gänsebrust mit Meerrettich zum Abendessen war zu fett gewesen und hatte ihm trotz einiger ›Klarer‹ schwer im Magen gelegen. Außerdem war er dreimal von seiner Frau Erika gestört worden, immer dann, wenn er gerade glaubte, endlich einschlafen zu können, und jedesmal war es das alte Lied, das er nun schon seit Wochen hörte: »Karl, ich habe so einen komischen Schmerz im Leib. Wenn ich drauf drücke, meine ich, da ist etwas Hartes drin …« Und wie immer hatte er auch in dieser Nacht brummend geantwortet: »Dann geh morgen mal zu Dr. Wagenfeldt. Wozu bezahl' ich soviel Beiträge für die Krankenkasse?«
    Eine Nacht also, die im nachhinein noch jetzt, am sonnigen Frühsommermorgen, auf das Gemüt drückte und ihn mißmutig, einsilbig und knurrig machte. Karl Haußmann saß auf der Terrasse seines Landhauses vor dem gedeckten Kaffeetisch, rührte in der Kaffeetasse, obgleich er wegen schwankenden Blutzuckers keinen Zucker nahm, sah über den Rasen und die Rosenrabatte seines Gartens und dachte an seinen Betrieb, an die Aufträge, an die Lohnerhöhungen und an Marion Gronau, seine Sekretärin.
    Karl Haußmann war ein wohlhabender, kein reicher Mann. Solange er denken konnte, hatte er schwer gearbeitet. Sein Vater fing mit einer Eisenlackiererei an, und schon als Schuljunge hatte Karl den Lack rühren und die Eisenteile in die Trockenöfen fahren müssen. Da blieb wenig Zeit für Schularbeiten und schon gar nicht für eine höhere Schule. »Was sollen Latein und Mathematik?« sagte Vater Haußmann damals. »Wer mit Eisen umgeht, braucht keinen Tacitus, und in der Mathematik genügt es, wenn man Rechnungen ausstellen und kalkulieren kann.« So wuchs Karl Haußmann an der vordersten Front des Arbeitskampfes auf, und es hatte ihm nichts geschadet. Im Gegenteil! Schon vor dem Krieg verlegte sich die Fa. Haußmann & Sohn, wie sie damals hieß, auf Emaillierungen, stellte Kochtöpfe und Kessel her, Herdwandungen und Kochmulden, lieferte Emailleschilder für die Wehrmacht und entwickelte sich nach dem Krieg und in den Zeiten des ›Wirtschaftswunders‹ zu einer der angesehensten Kleinfabriken in Gelsenkirchen. Karl Haußmann war im Vorstand des Fußballclubs, stiftete Fahnen für den Turnverein, stand einem Kegelclub vor und sang 1. Baß im Gesangverein. Er baute sich am Stadtrand von Gelsenkirchen – im Grünen, wie man hier sagt –, ein Landhaus im Bungalowstil, fuhr einen Sechszylinder, konnte zu seiner Frau Erika sagen: »Rika – was fragste, ob du dir ein neues Kleid kaufen kannst; fahr' in die Stadt und laß die Rechnung ins Büro schicken!« und war mit seinem Leben zufrieden.
    Ein Wendepunkt allerdings trat ein, als er bemerkte, daß seine Sekretärin Marion Gronau enge Pullover trug und daß sich unter dem Pullover allerhand abzeichnete. Als er sie ein paar Wochen später in der Registratur allein antraf und sie ungestraft küssen durfte, hatte Karl Haußmann eigentlich den Gipfel seines erfolgreichen Fabrikantenlebens erreicht. Es war komplett. Es fehlte nichts mehr.
    An alles das dachte Karl Haußmann an diesem sonnigen Morgen, trank seinen lauwarm gewordenen Kaffee aus und schmierte sich ein Wurstbrötchen. Im Haus, hinter der geöffneten Terrassentür, hörte er seine Frau Erika rumoren. Sie packte im Schlafzimmer zum viertenmal den großen Koffer und sortierte ihre Kleider. Aus dem großen Wohnzimmer, das man jetzt Wohnhalle nennt, brummte der Staubsauger. Dort war Friederike, die Hausgehilfin, bereits beim Putzen.
    Morgen um diese Zeit sind wir schon auf der Autobahn bei Köln oder – wenn gutes Wetter ist und man auf den Knorpel drücken kann – schon über Koblenz hinaus, dachte Karl Haußmann. Übernachtung in Basel, dann am zweiten Tag durch die Schweiz und entlang am Lago Maggiore bis Como und am dritten Tag über Mailand, Parma und Bologna nach Rimini. Und dann nichts wie faulenzen, in der Sonne liegen, ab und zu schwimmen, Eis essen, am Abend Rotwein trinken und pennen. Schlaf nachholen und abschalten, völlig abschalten. Keine Fabrik mehr, keine Termine, keine Sorgen um das Rohmaterial, nicht immer das traurige, faltige Gesicht von Wilhelm Sczimkinsky, dem Hauptbuchhalter aus Schalke, der nun vierzig Jahre in der Firma war und immer sagte: »Man sollte von den Abgaben leben, dann ging's uns gut!« Vier Wochen nur Sonne und blaue Adria, Sand und Musik, Wein und Schlafen. Ja, und vier Wochen lang den erfreulichen Anblick von Marion Gronau im

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