Das fünfte Kind. Roman
aufbrechen und in Blüte stehen. Dann sahen sie einander an. Tränen strömten ihnen über die Wangen. Sie liebten sich, dort auf ihrem Bett. Harriet hätte beinahe aufgeschrien: »Halt, nein, was machen wir da?« Denn hatten sie nicht beschlossen, mit dem Kinderkriegen noch zwei Jahre zu warten? Aber Davids Zielstrebigkeit überwältigte sie – ja, das war es, er nahm sie, während er ihr gerade in die Augen blickte, mit einer absichtsvollen, konzentrierten Kraft, die sie gefügig machte und sie akzeptieren ließ, wie er in ihr die Zukunft in Besitz nahm. Sie hatte keinerlei Verhütungsmittel bei sich. (Die Pille war ihnen beiden, natürlich, mehr als suspekt.) Harriet war auf der Höhe ihrer Fruchtbarkeit. Und dennoch liebten sie sich nun mit Ernst und Hingabe. Einmal. Zweimal. Später, als das Zimmer schon dunkel war, zum dritten Mal.
»Also«, flüsterte Harriet mit gedämpfter Stimme, denn sie fürchtete sich etwas, wollte es aber nicht zeigen, »also, das dürfte hingehauen haben, da bin ich sicher.«
David lachte. Ein lautes, leichtsinniges, skrupelloses Lachen, das dem sonst so bescheidenen, bedächtigen, freundlichen David gar nicht ähnlichsah. Nun, in fast völliger Dunkelheit, wirkte das Zimmer wie eine schwarze, endlose Höhle. Ein Ast kratzte irgendwo an der Mauer. Es roch nach kalter, regenfeuchter Erde und Sex. David lag da und lächelte in sich hinein, und als er Harriets Blick auf sich fühlte, wandte er ihr leicht das Gesicht zu und schloss sie in dieses Lächeln ein.
Aber was ging in ihm vor? In seinen Augen glommen Gedanken, die sie nicht erraten konnte. Sie hatte das Gefühl, ihn noch gar nicht zu kennen … »David«, sagte sie rasch, um den Bann zu brechen, aber er umfasste sie fester, und seine Hand schloss sich mit einer unbeirrbaren Kraft, die sie nicht vermutet hätte, um ihren Oberarm. Dieser Griff sagte ihr: »Sei ruhig.«
Sie blieben noch eine Weile liegen, während die Normalität langsam zurückkehrte, bis sie schließlich imstande waren, sich ein paar tröstliche Alltagsküsschen zu geben. Dann standen sie auf und zogen sich in der kalten Dunkelheit wieder an: Das Licht funktionierte noch nicht. Leise gingen sie die Treppe des Hauses, das sie so gründlich in Besitz genommen hatten, hinunter in ihr großes Familienzimmer, öffneten die Tür nach draußen und traten hinaus in den Garten, der geheimnisvoll verborgen im Dunkeln lag und ihnen noch nicht ganz gehörte.
»Und nun?«, fragte Harriet in heiterem Ton, als sie in Davids Wagen stiegen, um nach London zurückzufahren. »Wie sollen wir all das bezahlen, falls ich schwanger bin?«
Ganz recht: Wie sollten sie? Harriet war an diesem regnerischen Abend in ihrem Schlafzimmer tatsächlich schwanger geworden. Sie hatten viele schlimme Augenblicke, wenn sie an ihre begrenzten Mittel dachten und daran, wie schwach sie eigentlich waren. Denn so ist es nun einmal: Sobald der solide materielle Rückhalt fehlt, kommt es uns so vor, als würden wir strenger als gewöhnlich beurteilt. Harriet und David kamen sich kümmerlich und unzulänglich vor, ohne einen anderen Halt als ihren störrischen Glauben, der von anderen Leuten schon immer als Unbelehrbarkeit angesehen worden war.
David hatte niemals Geld von seinem wohlhabenden Vater und seiner Stiefmutter genommen; sie hatten seine Ausbildung bezahlt, und damit basta. (Für die Ausbildung seiner Schwester waren sie ebenfalls aufgekommen. Aber Deborah hatte dann den Lebensstil ihres Vaters vorgezogen, wie David den seiner Mutter vorzog, und daher waren sie nicht mehr viel zusammengekommen. Der Unterschied zwischen Bruder und Schwester war mit einem Satz zu kennzeichnen: Deborah hatte das Leben der Reichen gewählt.) Gerade jetzt wollte David die beiden nicht um Geld angehen. Und seine »englischen« Eltern – so nannte er seine Mutter und ihren zweiten Mann in Gedanken – waren ein schlichtes Akademikerpaar und hatten selbst wenig Geld.
Eines Nachmittags befanden sie sich zu viert – David und Harriet, Davids Mutter Molly und ihr Mann Frederick – in dem geräumigen Wohnzimmer neben der Treppe und begutachteten das neue Reich. Mittlerweile stand ein gigantischer Tisch, an dem mit Leichtigkeit fünfzehn bis zwanzig Personen Platz finden konnten, in dem Teil des Raums, der zur Küche gehörte; im Wohnbereich gab es zwei ausladende Sofas und einige bequeme Sessel, alles auf einer Auktion im Ort erstanden. David und Harriet fühlten sich unter den Augen der beiden älteren Leute,
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