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Das fünfte Kind. Roman

Das fünfte Kind. Roman

Titel: Das fünfte Kind. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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verbrachten einige Wochenenden mit der Besichtigung von Ortschaften in erreichbarer Nähe Londons und fanden bald ein geräumiges viktorianisches Haus mit einem verwucherten Garten. Perfekt! Allerdings kaum passend für ein junges Paar: ein dreistöckiges Haus nebst Dachboden, mit einer Unzahl von Zimmern, Fluren, Treppenabsätzen … Aber mit Platz für jede Menge Kinder.
    Denn sie hatten vor, viele Kinder zu bekommen. Ein bisschen herausfordernd, angesichts ihrer tollkühnen Zukunftsansprüche, versicherten sie einander, sie hätten nichts gegen einen Haufen Kinder.
    »Vier oder fünf …«
    »Oder sechs«, sagte David.
    »Oder sechs!«, sagte da auch Harriet und lachte, bis ihr Tränen der Erleichterung in die Augen traten. Sie hatten weitergelacht und sich auf dem Bett gewälzt und gestrahlt, weil dieser heikle Punkt, bei dem alle beide insgeheim eine Verweigerung oder einen Kompromiss erwartet und sogar akzeptiert hätten, sich nun als ganz unbedenklich erwies. Aber was Harriet zu David und David zu Harriet sagen konnte, »sechs Kinder mindestens!«, durften sie keinem anderen Menschen sagen. Trotz Davids recht anständigem Gehalt und Harriets Verdienst ging die Hypothekenlast dieses Hauses über ihre Verhältnisse. Doch irgendwie würden sie es schon schaffen! Harriet wollte noch zwei Jahre weiterarbeiten, täglich mit David in die Stadt fahren, und dann …
    An jenem Nachmittag, als das Haus ihres wurde, standen sie Hand in Hand auf der kleinen Vorderveranda, und ringsumher zwitscherten die Vögel im Garten, dessen Baumkronen noch kahl und schwarz vom letzten Vorfrühlingsregen glänzten. Sie schlossen die Haustür auf, wobei ihre Herzen vor Glück klopften, und standen nach zwei Schritten in einem sehr großen Raum, von dem eine breite Treppe nach oben führte. Einer der früheren Besitzer musste sich unter einem eigenen Heim dasselbe vorgestellt haben wie sie. Die Zwischenwände waren niedergerissen worden, um einen Raum zu schaffen, der fast das ganze Erdgeschoss einnahm. Eine Hälfte diente als Küche und war nur durch ein niedriges Mäuerchen, auf das man Bücher und Vasen stellen konnte, von der anderen getrennt, wo reichlich Platz für Sitzgruppen und all die behagliche Vielfalt eines Wohnzimmers vorhanden war. Harriet und David gingen behutsam, mit verhaltenem Atem lächelnd und Blicke tauschend – wobei ihr Lächeln sich verstärkte, denn sie waren schon wieder dem Weinen nahe – über die nackten Holzdielen, auf denen bald Teppiche liegen würden, und dann langsam die Stufen hinauf, deren altmodische Messingstangen auf einen Läufer warteten. Auf dem ersten Treppenabsatz drehten sie sich um und bewunderten den Riesenraum, der das Herz ihres Königreichs werden sollte. Sie gingen weiter. Im ersten Stockwerk gab es ein großes Schlafzimmer – das ihrige. Ein Durchgang führte in eine Nebenkammer, die jeweils das Neugeborene beherbergen würde. Außerdem gab es noch vier weitere ansehnliche Räume auf dieser Etage. Nach oben hin wurde die Treppe etwas schmaler, obwohl immer noch großzügig genug, und auch hier fanden sich vier Zimmer, deren Fenster, wie die unteren, den Blick auf Bäume, Gärten und Rasenflächen freigaben: das typische sympathische Ambiente englischer Vor- und Kleinstädte. Und die riesige Mansarde darüber war wie geschaffen für Kinder, die ins »magische Alter« der Geheimnisse und Märchenspiele kamen.
    Harriet und David begaben sich langsam wieder nach unten, eine Treppe, zwei, vorbei an all den Räumen, die sie in ihrer Fantasie bereits mit Kindern, Verwandten und Gästen füllten, bis sie in ihrem Schlafzimmer landeten. Vorläufig stand nichts darin als ein großes Ehebett, ursprünglich eine Spezialanfertigung für das Paar, von dem Harriet und David das Haus gekauft hatten. Der Makler hatte gesagt, man müsse es in seine Bestandteile zerlegen, um es wegzuschaffen, und die früheren Eigentümer seien ins Ausland gezogen und könnten es nicht mehr gebrauchen. Nun legten Harriet und David sich Seite an Seite darauf nieder und sahen sich in ihrem Zimmer um. Beide waren still, fast ein wenig bedrängt von allem, was sie sich vorgenommen hatten. Die Schatten eines Fliederstrauchs, hinter dem eine wässrige Sonne stand, zeichneten eine verführerische Skizze der Jahre, die sie in diesem Haus verleben würden, auf die weiße Zimmerdecke. Sie wandten die Köpfe dem Fenster zu, wo die oberen Zweige des alten Flieders dicke, kräftige Knospen zeigten; bald würden sie

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