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Das fünfte Kind. Roman

Das fünfte Kind. Roman

Titel: Das fünfte Kind. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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davon gesprochen, dass ihr eure Kinder möglichst schnell hintereinander kriegen wollt. Das werdet ihr noch bereuen, meiner Ansicht nach.«
    »Uns könnte doch schon morgen alles genommen werden«, sagte David störrisch. Die Ungeheuerlichkeit dieser Vorstellung, die, wie beide Frauen ahnten, in seinem tiefsten Innern gründete, wurde durch die Nachrichten, die über das Radio kamen, nicht gerade gemildert. Schlimme Neuigkeiten aus aller Welt – wenn auch längst noch nichts gegen das, was man schon bald an gleicher Stelle hören sollte, aber bedrohlich genug.
    »Überlegt es euch«, sagte Dorothy. »Ich wünschte, ihr dächtet noch einmal über alles nach. Manchmal jagt ihr beide mir Angst ein, ich weiß selbst nicht, warum.«
    »Vielleicht«, erwiderte Harriet hitzig, »vielleicht wären wir besser in einem anderen Land geboren worden. Weißt du nicht, dass ein halbes Dutzend Kinder in anderen Erdteilen als ganz normal gilt? Kein Mensch stößt sich daran, und die Eltern werden nicht wie Kriminelle behandelt.«
    »Abnormal sind nur wir hier in Europa«, pflichtete David ihr bei.
    »Ist mir bisher nicht aufgefallen«, sagte Dorothy, die den beiden an Dickköpfigkeit nicht nachstand. »Aber wenn ihr wirklich in einem anderen Erdteil wärt, in Ägypten oder Indien oder sonst wo, und ihr hättet eure sechs Kinder, oder acht oder zehn – ja, ja, Harriet, ich weiß, was du denkst, ich kenne dich –, dann würde die Hälfte davon sterben, und eine ordentliche Schulbildung würden sie auch nicht erhalten. Ihr wollt alles auf einmal. Ja, die Reichen, die können Kinder haben wie die Karnickel, die haben das Geld dazu. Und die Armen können ebenso viel Kinder bekommen und die Hälfte davon sterben lassen, sie erwarten es nicht anders. Aber Leute wie wir, der bürgerliche Mittelstand, wir sollten im Voraus bedenken, für wie viele Kinder wir wirklich sorgen können. Mir scheint, ihr habt euch das noch nicht reiflich überlegt … Nein, den Kaffee mache ich. Ihr beide setzt euch nach drüben.«
    David und Harriet gingen durch die breite Lücke der Trennmauer in den Wohnbereich des Raums hinüber, setzten sich auf eines der großen Sofas und hielten sich bei den Händen, ein schlanker, störrisch, aber leicht beunruhigt dreinblickender junger Mann und eine aufgedunsene, rotgesichtige, sich unbeholfen bewegende Frau. Harriet war im achten Monat, und die Schwangerschaft war nicht eben angenehm verlaufen. Keine ernsten Probleme, aber sie hatte viel an Übelkeit, Verdauungsbeschwerden und Schlaflosigkeit gelitten und war von sich selbst enttäuscht. Sie fragten sich, warum alle Leute sie kritisierten.
    Dorothy brachte den Kaffee, stellte ihn vor sie hin, sagte: »So, nun wasche ich ab – nein, du bleibst sitzen!«, und ging zurück ans Spülbecken.
    »Aber ich fühle nun mal so«, sagte Harriet verzagt.
    »Eben«, sagte David.
    »Wir sollten Kinder bekommen, solange wir die Möglichkeit dazu haben«, sagte Harriet.
    Dorothy warf vom Abwasch her ein: »Als der letzte Krieg ausbrach, sagten alle, es sei verantwortungslos, Kinder in die Welt zu setzen, aber wir haben es trotzdem getan, oder?« Sie lachte.
    »Na siehst du«, sagte David.
    »Und wir haben sie durchgebracht«, sagte Dorothy.
    »Und das werden wir auch, ganz bestimmt«, sagte Harriet.
    Das erste Kind, Luke, kam im breiten Ehebett zur Welt, hauptsächlich mithilfe der Hebamme, doch auch Doktor Brett war anwesend. David und Dorothy hielten abwechselnd Harriets Hände. Überflüssig zu sagen, dass Doktor Brett Harriet ins Krankenhaus hatte bringen wollen. Sie jedoch hatte sich standhaft geweigert – was er ihr sehr übel nahm.
    Es war eine kalte, windige Nacht, gleich nach Weihnachten. Das Zimmer war wundervoll warm. David weinte. Dorothy weinte. Harriet lachte und weinte. Die Hebamme und der Arzt warfen sich triumphierend in die Brust. Sie tranken alle Champagner und träufelten ein paar Tropfen davon auf den Kopf des Babys. Das war 1966 .
    Luke war ein gutartiges Kind. Er schlief friedlich in dem kleinen Raum neben dem großen Schlafzimmer und ließ sich vergnüglich stillen. Welches Glück! Wenn David sich beeilte, um seinen Morgenzug nach London zu erwischen, saß Harriet noch im Bett und gab Luke die Brust, während sie selbst den Tee trank, den David ihr gebracht hatte. Und wenn er sich dann niederbeugte, ihr einen Abschiedskuss gab und Luke übers Köpfchen strich, geschah es mit einer Besitzergeste, die Harriet verstand und liebte, denn mit dem Besitz

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