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Das fünfte Zeichen

Titel: Das fünfte Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Zeiger der Uhr über Tom Waalers Kopf.
    Sie hatten zusätzliche Stühle holen müssen, damit alle in dem großen Besprechungszimmer in der grünen Zone der sechsten Etage Platz fanden. Im Raum herrschte eine beinahe feierliche Atmosphäre. Keine Unterhaltung, kein Kaffeetrinken, kein Zeitunglesen, nur das vereinzelte Kritzeln auf dem Notizblock –und das stille Warten darauf, dass es endlich acht Uhr war.
    Harry hatte siebzehn Köpfe gezählt. Nur noch einer fehlte. Tom Waaler stand mit verschränkten Armen vor ihnen und blickte auf seine Rolex.
    Der Minutenzeiger der Wanduhr zuckte weiter und verharrte zitternd in vertikaler Habt-Acht-Stellung.
    » Dann fangen wir an «, sagte Tom Waaler.
    Es raschelte, als sich alle wie auf Kommando setzten.
    » Ich werde diese Kommission, assistiert von Harry Hole, leiten. «
    Die Köpfe wandten sich überrascht Harry zu, der am entfer n ten Ende des Tisches saß.
    » Zuerst will ich all jenen danken, die ohne zu murren ihren Urlaub in aller Eile abgebrochen haben «, fuhr Waaler fort. » Ich fürchte, Sie werden in der vor uns liegenden Zeit mehr opfern müssen als nur ihren Urlaub. Gut möglich, dass ich nicht die Zeit haben werde, Ihnen jeden Tag aufs Neue zu danken, deshalb akzeptieren Sie mein Dankeschön für den ganzen Monat, okay? «
    Am Tisch wurde gelacht und genickt. Wie gegenüber einem zukünftigen Chef, dachte Harry.
    » Heute ist in vielerlei Hinsicht ein besonderer Tag. «
    Waaler schaltete den Projektor ein. Die Titelseite des Dagbladet leuchtete ihnen von der Leinwand entgegen. SERIEN M ÖRDER AM WERK? Kein Bild, nur diese drei Worte in größtmöglicher Schrift. Niemand mit einem Funken Sachverstand setzte ein Fragezeichen hinter eine Schlagzeile. Und was niemand im Raum K615 wissen konnte: Die Entsche i dung über das Fragezeichen war erst wenige Minuten vor Redaktionsschluss gefallen. Erst nach einem Anruf des veran t wortlichen Redakteurs bei seinem Chef in dessen Hütte in Tvedestrand.
    » Wir hatten in Norwegen keinen Serienmörder –jedenfalls keinen, von dem wir wissen –seit Arnfinn Nesset in den Achtzigern «, sagte Waaler. » Serienmörder sind selten. So selten, dass sie auch über die Landesgrenzen hinaus Aufmerksamkeit erregen. Es sind jetzt viele Augen auf uns gerichtet, Leute. «
    Tom Waalers folgende Kunstpause war unnötig. Den Anw e senden war die Bedeutung des Falls bewusst geworden, als Møller sie am Abend zuvor telefonisch informiert hatte.
    » Okay «, sagte Waaler. » Wenn wir es wirklich mit einem Serienmörder zu tun haben, ist unsere Ausgangsposition nicht schlecht. Zum einen haben wir in unserer Mitte jemanden, der nicht nur im Fall eines Serienmörders ermittelt, sondern diesen auch geschnappt hat. Ich gehe davon aus, dass Sie alle über den Erfolg von Harry Hole in Sydney Bescheid wissen. Harry? «
    Erneut wandten sich ihm die Gesichter zu. Harry räusperte sich. Wusste, dass seine Stimme versagen würde, und räusperte sich noch einmal: » Ich bin mir nicht so sicher, ob meine Arbeit in Sydney wirklich nachahmungswürdig ist. « Er versuchte sich an einem schiefen Lächeln. » Wie Sie wissen, habe ich den Mann am Ende erschossen. «
    Kein Lachen, nicht einmal ein Lächeln. Harry war definitiv nicht der Typ für eine Führungsposition.
    » Wir können uns sicher einen schlechteren Ausgang des Falles vorstellen, Harry «, sagte Waaler und blickte noch einmal auf seine Rolex. » Viele von euch kennen den Psychologen Ståle Aune, den wir in verschiedenen Fällen als Sachverständigen herangezogen haben. Er hat zugesagt, uns eine kurze Einführung zum Thema Serientäter zu geben. Für einige von euch ist das nichts Neues, aber eine Auffrischung schadet sicher auch nicht. Er hätte um … «
    Alle zuckten, als die Tür aufflog. Ein Mann kam laut keuchend herein. Über dem kugelrunden Bauch, der unter dem Tweedj a ckett hervorlugte, baumelte eine orangene Fliege, und auf der Nase balancierte eine derart kleine Brille, dass man sich fragen musste, wie es ihm gelang, damit etwas zu sehen. Die Stirn unter dem blank polierten Schädel glänzte verschwitzt, die Augenbrauen waren dunkel, möglicherweise gefärbt, jedenfalls sorgsam gepflegt.
    » Wenn man vom Teufel spricht … «, sagte Waaler.
    » Dann kommt er! «, tönte Ståle Aune. Er zog ein Taschentuch aus seiner Brusttasche und wischte sich die Stirn ab, ging zum Ende des Tisches und setzte die abgenutzte braune Ledertasche mit einem Knall auf den Boden.
    » Guten Morgen, meine

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