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Das gebrochene Versprechen

Das gebrochene Versprechen

Titel: Das gebrochene Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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stand »R.
Finch«, und sie häkelte an einem Oberteil in einem grellen Pink. Als ich
erklärte, was ich wollte, wurden ihre Augen noch dunkler und düsterer. Sie legte
ihre Handarbeit weg und sagte: »Kommen Sie mit.«
    Hinter
dem Tresen befand sich ein gemütlicher Aufenthaltsraum mit einer
Kaffee-Warmhaltekanne und einem Teller schlaff aussehender Donuts. Die Frau
zeigte auf einen Stuhl, dann auf die Kaffeekanne. »Nein, danke«, sagte ich und
setzte mich.
    Sie
goss sich Kaffee ein und setzte sich ebenfalls. »Sie kennen Mrs. Keel nicht?«,
fragte sie.
    »Wir
sind uns nie begegnet.«
    »Sie
ist ein trauriger Fall, immer noch genauso, wie sie war, als sie herkam. Solche
wie sie leben nicht, aber sie wollen auch nicht sterben. Manchmal frage ich
mich, was es ihnen möglich machen würde, doch loszulassen.«
    Sie
schien meiner Frage nach Patricia Terriss auszuweichen. Ich sagte: »Die Dame an
der Pforte sagt, es besucht sie nie jemand. Wundert mich, dass Patricia sich nicht
herbemüht.«
    »Sie
war einmal da. Wie lange haben Sie nichts mehr von Ihrer Freundin gehört?«
    »...Jahre.
Drei mindestens.«
    Sie
nickte. »Und ihren Vater haben Sie in der Zeit auch nie gesehen?«
    »Ich
kenne ihn gar nicht. Sie?«
    »Er
war auch einmal da, als er veranlasst hat, dass wir Mrs. Keel auf nehmen, aber
dann nie mehr.«
    »Wie
heißt er?«
    Sie
dachte nach. »Ich weiß nicht mehr. Das Büro könnt’s Ihnen sagen, weil er für
sie bezahlt, aber da müssen Sie morgen während der Geschäftszeiten kommen.«
    »Jetzt
gibt es keine Möglichkeit, einen Blick in die Unterlagen zu werfen?«
    »Tut
mir Leid, nein.«
    Ich
machte ein enttäuschtes Gesicht. »Ich muss Patricias Adresse unbedingt heute
Abend noch rausfinden.«
    Schwester
Finch legte mir die Hand auf den Arm und sah mir in die Augen. Ihr Gesicht
drückte eine beängstigende Art von Weisheit aus — die Weisheit eines Menschen,
der täglich mit Krankheit und Tod befasst ist.
    Sie
sagte: »Ich muss Ihnen etwas sagen.«
     
     
     
     

27
     
    21 Uhr 42
     
    BALD WIRD DIE WELT WISSEN,
    WAS DU HEUTE ABEND VOR DREI
JAHREN GETAN HAST.
     
    »Guter Gott!«, rief Hy aus.
»Gib mir die Karte. Von welchem Blumenladen kommt dieses Unkraut überhaupt?«
    Ich inspizierte das
Blumengebinde, das gerade für Ricky abgegeben worden war. Die gelben Lilien
hatten eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Gelben Jasmin und waren ziemlich welk
von der Hitze. Der Plastikpiekser, der die Karte hielt, war mit dem Namen des
Geschäfts bedruckt. »Von einem Etablissement namens Dixie’s Blossoms.«
    »Ich rufe dort an. Würden Sie«
— er winkte den Wachmann von Rickys Tür herbei — »das hier bitte verschwinden
lassen?«
    Ich sagte: »Heute Nachmittag
war ich beunruhigt, weil mir alles zu ruhig erschien. Jetzt...«
    »Ich weiß.« Er nahm sein Handy
heraus und ging in einen der Garderobenräume von Blue Arkansas. Die Gruppe war
seit acht Uhr auf der Bühne; nach der Geräuschkulisse dort draußen zu urteilen,
waren sie gut, verdammt gut.
    Auch aus den vorderen
Garderoben kamen Geräusche — Rickys Band, die sich noch ein bisschen
entspannte, ehe sie in fünfzehn Minuten auf die Bühne musste. Ich guckte
hinein: Forrest Curtin schien wieder auf Koks; Jerry Jackson rauchte einen
Joint; Norm O’Dell zupfte den Melodiepart von »The Empty Place« auf seiner
Gitarre. Nur Pete Sherman stand nachdenklich abseits — in Sorge um sein längst
überfälliges Kind. Während ich sie beobachtete, fragte ich mich, was aus der
disziplinierten Arbeitshaltung geworden war, über die O’Dell so große Töne
gespuckt hatte. Noch ein Indiz für das Chaos, in das wir alle zu stürzen
schienen.
    In der nächsten Garderobe saß
Virgil Rattray in einem Sessel, die Füße auf seinem Metallkoffer, und ging
ruhig irgendwelche Notizen auf seinem Klemmbrett durch — ein völlig anderer
Mensch als der, der vor ein paar Stunden herumgetobt hatte. Wahrscheinlich
hatte er sich irgendetwas Aufbauendes aus seinem Drogenvorrat gegönnt. Er
merkte nicht, dass ich ihn beobachtete; gleich darauf wurde mein Blick zu dem
berühmt-berüchtigten Koffer hinabgezogen, und in meinem Kopf formierte sich ein
Gedanke, der mir gar nicht behagte. Ich drehte mich um und lief zu der
Garderobe auf der anderen Gangseite, in der Hy verschwunden war.
    Er war am Telefonieren und
winkte mich herein. »Ach, tatsächlich?... Na ja, klar, ich hab ihr gesagt, sie
soll euch anrufen, falls sie irgendwas braucht. Hat der Pilot gesagt, was sie
in San Luis gemacht

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